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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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Frank erröten sah. »Was hast du getan?«
    Er rutschte auf seinem Lattenstuhl herum und zupfte an seiner Bügelfalte. »Ich habe ein paar Löcher in das verdammte Ding gebohrt.«
    Die Luft wich aus ihrem Brustkorb. Sie wartete ab. Als Frank ein paar Details preisgab, begann die Szene vor ihrem inneren Auge Gestalt anzunehmen. Frank, der allein die Hütte des Bildhauers betrat und das Tuch anhob, mit dem das Wachsmodell bedeckt war, nur um darunter eine Version vorzufinden, die ebenso falsch war wie die erste. Frank, der wie im Reflex die Spitze seines Spazierstocks hob und sie in die weichen Augen des Modells stieß, um es anschließend wieder zuzudecken, damit Iannelli selbst seine wüste Entdeckung machen sollte.
    »Ich habe den Kopf verloren«, sagte er.
    Mamah bedachte den sich ihr darbietenden Kampf und überlegte, ob sie ihn aufnehmen sollte. Frank stand unter Druck; die Nerven aller Beteiligten auf der Baustelle waren aufs Äußerste gespannt. Sie setzte an, etwas zu sagen, hielt dann aber den Mund. Sie hatte mit dieser Auseinandersetzung nichts zu schaffen.
    »Am Montag fange ich noch einmal mit ihm von vorne an – und entschuldige mich«, sagte er.
    Mamah entspannte sich und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.
    Das einzige Geräusch in der Abendstille war das Klappernder Töpfe aus der Küche. Als der Lärm aufhörte, sah sie, wie in der Schlafkammer das Licht anging.
    »Glaubst du, die Carltons kommen hier zurecht?«
    »Sie wollen die Stelle. Vogelsang sagt, sie seien Kirchgänger. Ich bin mir sicher, dass sie sich einer Kirchengemeinde anschließen werden.«
    »Genau das meine ich. In Chicago, sogar in Oak Park gibt es die Baptistenkirche für Farbige. Dort würden sie Freunde finden, könnten abends ausgehen. Aber ich habe keine Ahnung, worauf sie sich hier oben einlassen.«
    »Sie werden ihren Weg machen. Darüber mache ich mir keine Sorgen.« Er strich mit der Hand über ihren Unterarm. »Was wirst du tun, wenn du jetzt mehr freie Zeit hast?«
    Sie holte zufrieden Luft. »Es ist schon ein Luxus, nur daran zu denken.«
    »Ist Ellen heraus aus der Verbannung?«
    »Du meinst, ob ich wieder für sie übersetze? Ja.«
    »Und all diese Diskussionen, wem sie welche Rechte übertragen hat?«
    »Oh, in dieser Sache lasse ich sie nicht so leicht davonkommen. Und der Himmel weiß, dass ich nicht mit ihr der Meinung bin, dass die Frauen die menschliche Rasse dem Untergang preisgeben, wenn sie in großer Zahl arbeiten gehen. Dennoch glaube ich nicht, dass irgendjemand sonst so kraftvoll über persönliche Freiheit und eine Reform der Institution Ehe geschrieben hat. Was soll ich sagen? Sie ist nicht perfekt, aber ich kann nicht vergessen, was sie für mich getan hat.«
    »Sie sollte dir dankbar sein. Letzte Woche rief Ralph Seymour im Büro an und sagte, die Verkäufe von The Woman Movement seien recht lebhaft.«
    »Entschuldige meine Schadenfreude.« Mamah kicherte in sich hinein. »Das ist auch für Ralph eine gute Nachricht.Ich erinnere mich noch, wie sein Hauptkorrektor zu ihm kam, nachdem er die Hälfte von Liebe und Ethik gelesen hatte, und sagte, ›Mr. Seymour, ich bin jetzt seit zwanzig Jahren bei Ihnen, aber ich gebe lieber meinen Job auf, als dieses Buch zu Ende zu lesen.‹ Ralph hatte den Mut, Ellen zu publizieren, als alle anderen sich weigerten.«
    »Ralph ist mit uns völlig einer Meinung. Ellen Key ist in diesem Land der neue Star der Bewegung. Das hätte sie niemals geschafft, wenn du sie nicht übersetzt hättest.«
    »Wäre es nicht nett, wenn sie das wenigstens anerkennen würde? Wir werden sehen. Ich habe immer noch zwei Essays zu übersetzen. Aber mit der Arbeit, mit der sie mich beauftragt hat, bin ich beinahe fertig. Wie auch immer, ich denke daran, selbst etwas zu schreiben.«
    Franks Gesicht hellte sich auf. »Komisch, dass du das gerade erwähnst. Als ich heute Morgen ankam, begegnete ich am Bahnhof zufällig Arnell Potter. Er würde gerne in Pension gehen. Die Zeitung verkaufen. Und mein Gedanke war, warum kaufen wir sie nicht? Du wärst fantastisch. Und ich könnte hin und wieder mal einen Gastkommentar schreiben.«
    Mamah fing an zu lachen. »Das ist nicht dein Ernst.«
    »Sag jetzt noch nicht nein. Denk einfach mal darüber nach.« »Ah, welche Ironie.«
    »Ich weiß, eine ländliche Zeitung ist ein kleiner Fisch. Aber denk an das Potenzial. Wenn du deine eigenen Artikel schreiben würdest, und wahrscheinlich würdest du das anfangs tun –, hättest du einen offiziellen Grund, die

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