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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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Enttäuschung.
    »Frank entwirft gerade einen Park in Chicago, in den ich euch mitnehmen werde, wenn er fertig ist. Es ist ein riesiges Gebäude mit einem Garten darin, für Konzerte im Winter, und einem Freiluftgelände mit einem Biergarten und einer Konzertmuschel.«
    »Wie der Freizeitpark in Forest Park?«, fragte John.
    »Nun, es gibt keine Achterbahn oder sonstigen Fahrten«,sagte sie. »Es wird ganz anders sein als alles, was du je gesehen hast. Du hast von den hängenden Gärten Babylons gehört, nicht wahr?«
    »In der dritten Klasse«, sagte John.
    »Nun, es wird ein wenig so sein wie auf den Gemälden, die du dir von diesen Gärten ansehen kannst. Es wird viele verschiedene Ebenen geben – «
    »Habt ihr immer noch dieses Pferd, Champion?«, fragte Martha unvermittelt.
    »Ja«, sagte Frank.
    »Können wir reiten gehen?«
    »Ja, das können wir.«
    »Wann?«
    Frank drehte sich zum Fenster, als wolle er prüfen, wie viel Tageslicht ihnen noch blieb.
    »Die Kraniche sind zurückgekehrt«, sagte Mamah.
    »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Kommt, wir gehen gleich jetzt.«
    Emil sah ungläubig auf. »Sir, Müller sagt, er könne mit den Architektenanweisungen nicht weitermachen, wenn nicht – «
    Frank setzte seinen Hut auf. »Sie wissen, dass Müller und ich zusammen den Unitarier-Tempel gebaut haben, nicht wahr, Brodelle?«
    »Ja, Sir.«
    »Müller kann warten.«
    Sie ritten zu viert die Einfahrt hinunter und die Landstraße entlang, bis Frank in ein schmales Sträßchen einbog. Sie folgten ihm, an Waldstücken und Feldern vorbei, bis sie zu einem sumpfigen, nahezu überschwemmten Gelände gelangten. Frank fand eine Baumgruppe, wo sie die Pferde anbinden konnten.
    »Es ist nicht weit zu gehen.« Er blickte sich suchend umund fand vier gerade gewachsene Äste. »Stürzt nicht in den Matsch«, sagte er und reichte jedem einen Stock. Frank ging voraus durch das hohe, nasse Gras, gefolgt von den Kindern. Mamah bildete den Schluss dicht hinter Martha, deren neue Stiefel bei jedem Schritt ein paar Zentiemter tief in den Matsch sanken. Vor ihnen drehte Frank sich um und legte den Zeigefinger auf den Mund, damit sie sich ruhig verhielten. Gleich darauf standen sie auf einer Lichtung.
    Vor ihnen erstreckte sich eine Wiese mit vereinzelten Tümpeln aus stehendem Wasser. Ein Dutzend grauer Kanadakraniche mit rotbehelmten Köpfen standen in den großen Tümpeln. Zwei Kraniche waren gerade im Landeanflug, sanken mit ausgebreiteten Schwingen und herabhängenden dünnen Beinen vom Himmel wie Fallschirmspringer. Die im Wasser stehenden Kraniche legten die Köpfe zurück und stießen ihre Rufe aus.
    »Ich bin als Junge immer hierhergekommen«, flüsterte Frank. »Aber heute gibt es nicht mehr so viele Kraniche. Die Leute jagen sie. Ich weiß nicht, wie sie schmecken. Ich habe noch nie einen gegessen.«
    Mamah ließ den Feldstecher herumgehen, den sie mitgebracht hatte. Sie beobachteten abwechselnd, wie die Kraniche Hälse und Schnäbel wie Turmspitzen in den Himmel reckten.
    »Diese Kerle kommen wahrscheinlich direkt aus Südamerika«, sagte Frank und zeigte auf die beiden Vögel, die soeben gelandet waren. »Dort kommen sie her. Sie fliegen jedes Jahr Tausende von Meilen nach Süden. Vermutlich könnten sie auch in Kalifornien oder Mississippi landen und dort überwintern, aber das tun sie nicht.«
    »Warum nicht?«, fragte Martha.
    »Weil es in ihrer Natur liegt. Sie tun, was sie für richtig befinden.«
    Mamah hielt sich den Feldstecher vor die Augen. »Mir gefällt der Gedanke, dass sie nur wissen, was sie wissen.«
    John blickte sie verständnislos an.
    »Was ich damit sagen will, ist, dass sie sich wahrscheinlich überhaupt nicht um die Menschen kümmern. Wir sind für sie bestenfalls Ameisen. Sie wissen nichts von Regierungen oder Kochen oder Zeitungen oder Religion. Was sie sehen, sind Wasser und Felder und Himmel. Sie haben dafür keine Worte, so wie wir. Und doch kennen sie sie. Und untereinander wissen sie vieles, von dem wir keine Ahnung haben, Dinge über den Wind und wie man unterwegs Rastplätze findet, zu denen sie Jahr für Jahr zurückkehren. Vielleicht haben sie eine Sprache, von der wir nichts wissen. Ihre Erfahrung auf diesem Planeten ist vollkommen anders als unsere, aber dennoch real.«
    »Wenn wir Glück haben, sehen wir sie tanzen«, sagte Frank. »Sie tanzen?«, fragte Martha.
    »Manchmal. Sie suchen sich einen Partner fürs Leben, und wenn es an der Zeit ist, Junge zu bekommen, tanzen sie.«

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