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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck
Autoren: Nancy Horan
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weinerlichen Ausdruck wie vor zwei Tagen. Julian war so groß wie sie, und er sah ihr kühl und arrogant ins Gesicht. Er warin dem weißen Jackett, das er zum Servieren immer trug, und dann fiel ihr auf, was er sonst noch anhatte. Er trug ein Paar von Franks Leinenhosen.
    Mamah ging hinaus in den Hof, um sich zu beruhigen. Sie ging auf der Suche nach den Männern ums Haus, konnte jedoch keinen von ihnen finden. Waren sie draußen auf den Feldern, um zu helfen? Sie kehrte zurück ins Haus und rief in die Küche: »Die Kinder und ich sind zum Frühstück nicht da.« Dann ging sie eilig ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen und Martha und John zu wecken.
    Minuten später waren sie und die Kinder mit den Brötchen und dem Schinken, die Gertrude ihnen in eine Serviette eingeschlagen hatte, aus dem Haus. Als sie draußen waren, fühlte Mamah sich augenblicklich besser.
    »Warum ist Gertrude wütend, Mama?«, fragte John, als sie im Auto saßen. Die Köchin hatte Johns Morgengruß nicht erwidert.
    »Sie und Julian gehen weg, Liebling. Es hat nicht funktioniert. Julian scheint sich mit allen zu streiten.«
    »Oh.«
    »Bist du traurig, dass sie weggehen?«, fragte Mamah.
    »Sie, ja. Er, nein«, sagte John.
    »Wohin gehen wir?«, fragte Martha.
    »Wir sind erst um eins bei den Bartons eingeladen. Ich dachte, wir gehen an einer neuen Stelle fischen.«
    Sie frühstückten auf einem Sandstreifen am Fluss und machten sich dann daran, Würmer auszugraben. Als die Kinder einen Vorrat hatten, setzte Mamah sich neben einer Gruppe Wilder Möhren auf eine Decke. Sie riss eine der Samenhülsen ab und versuchte, sie zu öffnen.
    Es war durchaus möglich, dass Frank Julian diese Hose geschenkt hatte. Allerdings war es unwahrscheinlich, denn sie war Teil des Anzugs, den er sich in Italien hatte schneidernlassen. Nein, eher wahrscheinlich war, dass Julian an Franks Schrank gegangen war und sich bedient hatte. Diese Vorstellung verhieß eine gravierende Grenzüberschreitung. Sie wollte sich nicht vorstellen, dass Julian sich in ihr Schlafzimmer schlich, wenn sie nicht zu Hause waren. Doch sie hegte den Verdacht, dass genau das geschehen war.
    Gegen halb zwölf stiegen sie wieder ins Auto und zogen eine Staubfahne hinter sich her, als sie über die ausgefahrene Straße Richtung Taliesin fuhren. Vor ihnen waberten Hitzewellen; rotgeflügelte Schwarzdrosseln flogen aus den Rohrkolben auf, als sich der Wagen näherte. Als sie am Haus der Bartons vorbeifuhren, war der Lärm der Dampfmaschine ohrenbetäubend. Die Luft roch nicht mehr nach Kuhmist, sondern nach Dieselöl. Warum hatte sie das Dreschen letzten Sommer nur so faszinierend gefunden? Sicher, für die Nachbarn war es eine Zeit, in der sie zusammenkamen und einander aushalfen. Doch heute fand sie es laut und schmutzig. Auf dem Feld schickte die Maschine eine gekräuselte schwarze Rauchfahne in die Luft, die sich ausbreitete und den Himmel verdüsterte. Sie wollte nicht, dass John oder Martha in die Nähe der Dreschmaschine kamen – im Handumdrehen konnte man ein Bein oder einen Arm verlieren. Sie würde den ganzen Nachmittag auf der Hut sein müssen, um sie davon fernzuhalten.
    Als Mamah ins Haus ging, suchte sie nach Julian. Er deckte gerade den Tisch für die Arbeiter in dem provisorischen Esszimmer neben ihrem Arbeitszimmer. Er wandte ihr seinen hasserfüllten Blick zu, als sie das Wort an ihn richtete. »Julian, ich habe es mir überlegt«, sagte sie. »Ich denke, es wäre gut, wenn Sie beide heute gingen. Wir bezahlen Sie für die ganze Woche. Sie und Gertrude können nach dem Mittagessen Ihre Sachen packen.«
    »Wir hören ordnungsgemäß auf«, sagte er sachlich. »Wirwollen morgen früh in Milwaukee zur Kirche gehen und danach den Zug nach Chicago nehmen. Wir gehen zu Gertrudes Schwester.«
    »Ich verstehe«, sagte sie.
    Der Gedanke, eine weitere Nacht mit Julian im selben Haus zu verbringen, jagte ihr Angst ein. Wenn sie es nicht schaffte, ihn loszuwerden, dann schaffte es Frank.
    Mamah ging in die Küche und stellte fest, dass Gertrude zum Glück nicht dort war. Sie nahm den Telefonhörer ab. »Selma«, sagte sie, als die Telefonistin schließlich an den Apparat ging, »ich möchte, dass Sie mich mit dem Telegrafenamt verbinden.«
    Es klickte in der Leitung, und ein Mann antwortete.
    »Charley, hier ist Mamah Borthwick aus Taliesin. Ich muss sofort eine Nachricht an Frank durchstellen. Er ist in Chicago, in Midway Gardens.«
    »Gut. Was wollen Sie ihm sagen?«, fragte er.
    »Sagen
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