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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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schon fast egal. Jetzt nach der Waffe zu greifen, wäre Selbstmord gewesen, aber sie wollte nur eines – dem Schmerz entfliehen. Um jeden Preis. Egal welches Risiko sie dabei einging. Nur weg von dieser Folter.
    Der Asiate hielt noch immer das Handy ans Ohr.
    Emma und Max. Ihre Gesichter schwebten in einer Art Nebelschwade auf sie zu. Grace versenkte sich in dieses Bild. Und dann geschah etwas Seltsames.
    Wie sie dort lag, noch immer auf dem Bauch, eine Wange auf den Fußboden gepresst, lächelte Grace. Tatsache, sie lächelte. Nicht aus warmer mütterlicher Zuneigung, obwohl diese Gefühle eine Rolle spielen mochten, sondern weil sie sich an einen besonderen Umstand erinnerte.
    Sie erinnerte sich an die Atemtechnik, die sie in ihrem Geburtsvorbereitungskurs gelernt hatte. Die Wehenschmerzen bei Emmas Geburt waren schlimmer gewesen als das, was sie gerade erlebte. Und sie hatte sie dank dieser Technik und mit Jacks Hilfe durchgestanden. Für ihre Tochter. Und dann, wie durch ein Wunder, war sie willens gewesen, es erneut für Max zu riskieren.
    Also, mach es wieder, sagte sie sich.
    Vielleicht war sie schon nicht mehr ganz bei sich. Doch das spielte keine Rolle. Sie lächelte weiter. Grace sah Emmas entzückendes
Gesicht vor sich. Und sie sah Max’ vor sich. Sie blinzelte, und sie waren verschwunden. Aber auch das war nicht mehr wichtig. Sie starrte auf den grausamen Mann mit dem Telefon am Ohr.
    Komm schon, du verdammtes Schwein. Mach schon!
    Er beendete sein Telefongespräch. Er kam zu ihr. Sie lag noch immer auf dem Bauch. Er setzte sich erneut auf sie. Grace schloss die Augen. Tränen quollen unter den Lidern hervor. Sie wartete.
    Der Mann packte ihre Hände und legte sie ihr auf den Rücken. Er fesselte sie an den Gelenken mit Isolierband und stand auf. Dann zog er sie auf die Knie, die Hände auf dem Rücken gebunden. Ihre Rippen brannten wie Feuer, doch vorerst hatte sie den Schmerz im Griff.
    Sie sah zu ihm auf.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte er.
    Er wandte sich ab und ließ sie allein. Sie lauschte. Sie hörte, wie eine Tür geöffnet wurde und dann Schritte.
    Er schien in den Keller hinunterzugehen.
    Sie war allein.
    Grace versuchte, die Handfesseln abzustreifen, doch sie saßen viel zu fest. Keine Chance, an die Waffe zu kommen. Sie spielte mit dem Gedanken, aufzustehen und wegzulaufen, doch das erschien ihr sinnlos. Die Lage ihrer Arme, die brennenden Schmerzen im Brustkorb und natürlich die Tatsache, dass sie schon unter normalen Umständen Schwierigkeiten beim Gehen hatte, ließen eine Flucht nicht als realistische Alternative erscheinen.
    Aber war es vielleicht von Vorteil, wenn es ihr gelang, die auf dem Rücken gefesselten Hände nach vorn, vor den Bauch zu bringen?
    Auf diese Weise kam sie möglicherweise an ihre Waffe.
    Es war immerhin ein Plan.
    Grace hatte keine Ahnung, wie lange er fortbleiben würde – viel Zeit gab sie sich nicht –, aber sie musste es wagen.
    Sie presste die Schulterblätter zusammen. Sie streckte die
Arme so lang sie konnte. Jede Bewegung – jeder Atemzug – entfachte glühendes Feuer in ihrem Brustkorb. Sie kämpfte dagegen an. Sie stand auf. Sie beugte den Oberkörper nach vorn. Dehnte die Arme so lang wie möglich.
    Sie gewann Zentimeter um Zentimeter.
    Mit aufrechtem Oberkörper beugte sie die Knie und hätte beinahe aufgeschrien. Sie kam ihrem Ziel näher.
    Verdammt! Er kam wieder die Treppe herauf.
    Sie war wie gefangen in ihrem Bewegungsablauf, die gefesselten Hände schon unterhalb vom Gesäß.
    Großer Gott! Beeil dich. Egal wie. Entweder die Hände wieder auf den Rücken oder weitermachen.
    Sie beschloss, weiterzumachen.
    Die Sache würde hier und jetzt enden.
    Die Schritte waren langsam. Schwer. Es klang, als schleppe er eine Last hinter sich her.
    Grace zog und drückte weiter. Ihre Hände blieben stecken. Sie beugte Oberkörper und Knie noch tiefer. Sie drohte vor Schmerz ohnmächtig zu werden. Sie schloss die Augen und schwankte. Sie zog die Arme noch weiter nach hinten, bereit, sich die Schultergelenke auszurenken, solange das nur half, ihr Ziel zu erreichen.
    Die Schritte verstummten. Eine Tür wurde geschlossen. Er war wieder da.
    Sie zwängte die Arme unter sich durch. Es funktionierte. Im nächsten Moment hatte sie sie vor dem Körper.
    Doch es war zu spät. Der Mann war wieder da. Er stand im Raum, kaum eineinhalb Meter von ihr entfernt. Er sah, was sie getan hatte. Nur Grace registrierte das nicht. Sie sah ihren Peiniger nicht an. Sie

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