Kein böser Traum
letzten Monat.«
»Yep.«
»Aber die Anrufe von gestern Abend sind da noch nicht verzeichnet.«
»Hmmm. Ich schick denen eine Anfrage. Oder wir rufen einfach an.«
»Die sind nicht rund um die Uhr erreichbar. Nachteil des Billigtarifs.« Grace beugte sich dichter zum Monitor hinunter. »Lass mal sehen, ob er seine Schwester früher schon mal angerufen hat.«
Ihr Blick glitt über die Liste. Nichts. Auch keine unbekannten Nummern. Inzwischen war es ihr nicht einmal mehr peinlich, dass sie in den Privatsachen ihres Mannes herumschnüffelte, den sie liebte, dem sie vertraute.
»Wer bezahlt die Rechnungen?«, wollte Cora wissen.
»Meistens Jack.«
»Die Telefonrechnung kommt per Post?«
»Ja.«
»Siehst du sie dir an?«
»Natürlich.«
Cora nickte. »Jack hat doch ein Handy, richtig?«
»Richtig.«
»Was ist mit dieser Rechnung?«
»Was soll damit sein?«
»Schaust du sie an?«
»Nein. Ist ja seine Rechnung.«
Cora lächelte.
»Was ist denn?«
»Während mein Ex mich betrogen hat, hat er immer mit dem Handy telefoniert, weil ich mir diese Rechnungen nie angesehen habe.«
»Jack betrügt mich nicht.«
»Aber vielleicht hat er Geheimnisse vor dir.«
»Könnte sein«, gab Grace zu. »Okay, ja. Vermutlich.«
»Wo bewahrt er seine Handyrechnungen auf?«
Grace sah im Aktenschrank nach. Er hatte die Rechnungen von Cascade abgeheftet. Sie sah unter V für Verizon- Mobilfunk nach. Nichts. »Hier sind sie nicht.«
Cora rieb sich die Hände. »Hm, verdächtig.« Sie war in ihrem Element. »Bemühen wir den Voodoo, den sie machen, wenn wir’s tun.«
»Und was genau machen wir?«
»Angenommen Jack hat ein Geheimnis vor dir. Dann würde er die Rechnungen vernichten, sobald er sie erhält, richtig?«
Grace schüttelte den Kopf. »Das ist alles so absurd.«
»Aber ich habe Recht?«
»Ja, gut. Falls Jack Geheimnisse vor mir hat …«
»Jeder hat Geheimnisse, Grace. Du meine Güte, wo lebst du eigentlich? Du willst doch wohl nicht behaupten, dass dich das alles überrascht hat?«
Diese Wahrheit hätte Grace normalerweise zu einer Kunstpause gezwungen, doch für Spielereien dieser Art war jetzt keine Zeit. »Also gut. Angenommen Jack hat die Handyrechnungen vernichtet. Wie kommen wir dann an sie ran?«
»Hab ich doch gerade schon vorexerziert. Wir richten ein weiteres Internetkonto ein. Diesmal unter Verizon- Mobilfunk.« Cora begann zu tippen.
»Cora?«
»Yep?«
»Kann ich dich was fragen?«
»Schieß los!«
»Woher kennst du dich mit alledem aus?«
»Praxis und Erfahrung.« Sie sah Grace an. »Wie glaubst du, bin ich Adolf und Eva auf die Spur gekommen?«
»Du hast hinter ihnen herspioniert?«
»Volltreffer. Habe mir ein Buch gekauft. Hieß ›Detektivspielen für Anfänger‹ oder so ähnlich. Steht alles drin. Wollte alle Fakten auf dem Tisch haben und den Wichser dann zur Rede stellen.«
»Und was hat er gesagt? Als du’s ihm gezeigt hast?«
»Dass es ihm Leid täte. Dass er’s nie wieder tun würde. Dass er diese aufgespritzte Ivana nie wieder sehen wolle.«
Grace beobachtete die Freundin, wie sie weitertippte. »Du liebst ihn wirklich, was?«
»Mehr als das Leben.« Noch immer tippend fügte Cora hinzu: »Wie wär’s mit einer zweiten Flasche Wein?«
»Nur wenn wir heute Abend nicht mehr Auto fahren.«
»Soll ich hier schlafen?«
»Fahren ist tabu.«
»Gut. Abgemacht.«
Grace stand auf. Der Alkohol machte sie schwindelig. Sie ging in die Küche. Cora trank häufiger einen über den Durst, aber an diesem Abend leistete Grace ihr liebend gern Gesellschaft. Sie entkorkte die zweite Flasche Weißwein. Der Wein war zu warm. Sie gab einen Eiswürfel in jedes Glas.
Als Grace ins Arbeitszimmer zurückkam, lief der Drucker. Sie reichte Cora ein Glas und setzte sich. Grace starrte in die hellgelbe Flüssigkeit. Sie schüttelte den Kopf.
»Was ist?« fragte Cora.
»Jetzt habe ich schließlich und endlich doch noch Jacks Schwester kennen gelernt.«
»Und?«
»Es ist nicht zu fassen. Sandra Koval. Ich kannte bisher nicht mal ihren Namen.«
»Du hast Jack nie nach ihr gefragt?«
»Nicht wirklich.«
»Warum nicht?«
Grace trank einen Schluck. »Kann ich nicht erklären.«
»Versuch’s einfach.«
Sie stand auf und wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte. »Ich dachte, es sei normal. Ich meine, dass man einen Teil seiner Privatsphäre bewahrt. Ich bin vor etwas davongelaufen. Er ist deswegen nie in mich gedrungen.«
»Und deshalb hast du ihn ebenfalls nie
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