Kein böser Traum
was sie davon halten sollte, aber vermutlich war das weniger anstrengend, als wenn sie sich die Bravo kaufen und sich nach harmlosen Boy-Groups verzehren würde.
Mrs. Lamb, Emmas junge, aber schnell alternde Lehrerin, nahm mit den Kindern das Einmaleins durch. Im Augenblick war das Sechser-Einmaleins dran. Grace hörte Emma ab. Bei 6 x 7 schwieg Emma lange.
»Du müsstest es auswendig können«, bemerkte Grace.
»Warum? Ich kann’s doch rechnen.«
»Das ist nicht der Punkt. Man lernt es auswendig, damit man darauf aufbauen kann, wenn man mehrstellige Zahlen miteinander multiplizieren muss.«
»Mrs. Lamb hat nicht gesagt, dass wir’s auswendig lernen müssen.«
»Das solltest du aber.«
»Aber Mrs. Lamb …«
»Sechs mal sieben.«
Und so ging es weiter.
Max musste einen Gegenstand finden, der in die »Geheimnisbox« getan werden sollte. Man legte etwas in diese Schachtel – in diesem Fall einen Hockeypuck – und überlegte sich dann drei Hinweise, so dass die anderen Vorschulkinder raten konnten, was es sein könnte. Erster Hinweis: Die Farbe ist schwarz. Zweiter Hinweis: Gehört zu einer Sportart. Dritter Hinweis: Eis. Das musste genügen.
Cora kam vom Computer zurück und schüttelte den Kopf. Fehlanzeige. Sie griff nach einer Flasche billigem trockenem Chardonnay aus Australien und entkorkte sie. Grace brachte die Kinder zu Bett.
»Wo ist Daddy?«, fragte Max.
Emma tat es ihm gleich. »Ich habe einen Hockey-Vers für mein Gedicht geschrieben.«
Grace erklärte Jacks Abwesenheit vage mit Arbeit. Die Kinder machten ängstliche Gesichter.
»Ich möchte das Gedicht gern hören«, sagte Grace.
Widerwillig zückte Emma ihr Heft.
»Hockey-Stock, Hockey-Stock,
schießt du gern ein Tor?
Wenn du erst richtig in Fahrt bist,
Ist dir dann nach mehr?
Emma hob den Kopf. »Wow !«, sagte Grace und klatschte Beifall. Leider fehlte ihr Jacks bedingungslose Begeisterungsfähigkeit. Sie gab den beiden einen Gutenachtkuss und lief ins Erdgeschoss hinunter. Die Weinflasche war geöffnet. Cora und sie begannen zu trinken. Sie vermisste Jack. Er war nicht einmal vierundzwanzig Stunden fort – und er war häufig wesentlich länger auf Geschäftsreise gewesen – und doch erschien ihr das Haus seltsam leer. Grace empfand die Leere, die er hinterlassen hatte, beinahe körperlich und endgültig.
Grace und Cora tranken ein Glas nach dem anderen. Grace dachte an die Kinder. Sie dachte an ein Leben, ein ganzes Leben ohne Jack. Wir tun alles, um unsere Kinder vor Schmerz und Enttäuschung zu schützen. Jack zu verlieren, wäre ein schwerer Schlag für Grace. Doch das war in Ordnung. Sie konnte das ertragen. Ihr Schmerz wäre jedoch nichts im Vergleich zu dem, was es für die beiden Kinder bedeuten würde, die jetzt, das ahnte
sie, wach in ihren Betten lagen und spürten, dass etwas nicht stimmte.
Graces Blick schweifte zu den Fotos an den Wänden.
Cora setzte sich neben sie. »Er ist ein guter Mann.«
»Jaaa.«
»Alles in Ordnung mit dir?«
»Zu viel Wein«, sagte Grace.
»Nicht genug, wenn du mich fragst. Wohin hat dich unser Mafioso gebracht?«
»Zu einer christlichen Rockband.«
»Tolle Location für ein erstes Rendezvous.«
»Ist eine lange Geschichte.«
»Bin ganz Ohr.«
Aber Grace schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht über Jimmy X nachdenken. Plötzlich kam ihr eine Idee. Sie überlegte, wog ab, ließ sie sacken.
»Was ist?«, fragte Cora.
»Vielleicht hat Jack mehr als nur eine Nummer angerufen.«
»Du meinst, abgesehen von dem Telefonat mit seiner Schwester ?«
»Ja.«
Cora nickte. »Kriegt ihr eure Telefonrechnung online?«
»Noch nicht.«
»Dann wird’s Zeit.« Cora stand auf. Ihr Schritt war ein wenig unsicher geworden. Der Wein hatte sie beide in wohlige Wärme gehüllt. »Welche Telefongesellschaft nutzt ihr für Ferngespräche?«
»Cascade.«
Sie kehrten zu Jacks Computer zurück. Cora setzte sich an den Schreibtisch, ließ ihre Fingerknöchel knacken und machte sich ans Werk. Sie lud die Website von Cascade. Grace gab ihr die nötigen Informationen – Adresse, Sozialversicherungsnummer, Kreditkarte. Sie erhielten ein Passwort. Cascade schickte zur Bestätigung eine E-Mail an Jacks Adresse
»Wir sind dabei«, bemerkte Cora.
»Ich verstehe das nicht.«
»Ihr habt jetzt ein Online-Telefonkonto. Ich hab’s gerade eingerichtet. Du kannst von jetzt an deine Rechnung übers Internet einsehen und bezahlen.«
Grace blickte über Coras Schulter. »Das ist die Rechnung vom
Weitere Kostenlose Bücher