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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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kroch hinter den Fernsehsessel. Er horchte angestrengt. Nichts. Falls jemand im Haus war, musste er ihn früher oder später hören. Er wartete noch etwas länger.
    Noch immer nichts.

    Wus Gedanken drehten sich im Kreis. War der Eindringling hereingekommen und dann unverrichteter Dinge wieder gegangen?
    Er bezweifelte es. Wer riskierte, ein Schlüsselversteck zu plündern, um in ein Haus zu kommen, der sah sich erst einmal gründlich um. Hatte er dabei Freddy Sykes im oberen Badezimmer entdeckt? Wahrscheinlich. In diesem Fall würde er Hilfe holen. Hatte er nichts Ungewöhnliches entdeckt, schien es logisch, dass er das Haus verlassen und den Schlüssel wieder an seinen Platz legen würde. Keins von beidem war offenbar geschehen.
    Was sagte ihm das?
    Der Eindringling war noch im Haus. Er bewegte sich nicht. Er hatte sich versteckt.
    Wu ging lautlos ans Werk. Das Haus hatte drei Ausgänge. Er vergewisserte sich, dass alle Türen fest verschlossen waren. Zwei davon waren mit schweren Riegeln gesichert. Er ließ sie geräuschlos zugleiten. Dann holte er sämtliche Stühle aus dem Esszimmer und verbarrikadierte damit zusätzlich alle drei Ausgänge. Er wollte um jeden Preis eine Flucht verhindern oder zumindest erschweren.
    Seinem Gegner eine Falle stellen.
    Auf der Treppe lag ein Läufer. Das machte es Wu leichter, sich lautlos anzuschleichen. Er musste sich unbedingt vergewissern, dass Freddy noch in der Badewanne lag. Erneut zermarterte er sich den Kopf darüber, weshalb das Schlüsselversteck so einladend leer und offen dagelegen hatte. Nichts daran ergab einen Sinn. Je mehr er darüber nachdachte, desto verhaltener wurde sein Schritt.
    Wu versuchte den Ablauf sachlich und logisch von Anfang an nachzuvollziehen: Eine Person, die Freddy Sykes’ Schlüsselversteck kennt, öffnet die Tür. Sie oder er geht hinein. Und was dann? Angenommen er/sie findet Sykes und gerät in Panik. Er/sie ruft die Polizei an. Angenommen er/sie findet Sykes nicht – dann geht er/sie einfach wieder. Er/sie legt den Schlüssel in den Hohlraum zurück und stellt den Stein wieder an seinen Platz.

    Nichts davon war geschehen.
    Und Wu war ebenso schlau wie zuvor. Was also war die logische Schlussfolgerung?
    Die einzige andere Möglichkeit, die ihm in den Sinn kam – es sei denn, er hatte etwas übersehen –, war, dass der Eindringling Sykes in dem Moment gefunden hatte, als Wu ins Haus gekommen war. Dann war keine Zeit mehr für einen Anruf geblieben. Nur noch Zeit, sich zu verstecken.
    Selbst dieses Szenario hatte mehrere Haken. Hätte der Eindringling sich nicht Licht machen müssen? Vielleicht hatte er es getan. Vielleicht hatte er Licht gemacht, Wu kommen gesehen, das Licht gelöscht und sich dort versteckt, wo er sich gerade aufgehalten hatte.
    Wu hatte mittlerweile das Schlafzimmer des Hausherrn erreicht. Sein Blick wanderte zu der Ritze unter der Badezimmertür. Kein Lichtschein zu sehen. Unterschätze niemals einen Feind, ermahnte er sich. Er hatte in letzter Zeit Fehler gemacht. Zu viele Fehler. Zuerst Rocky Conwell. Wu hatte zugelassen, dass er ihm folgte. Eine Nachlässigkeit, der erste Fehler. Dann hatte er sich von der Frau von nebenan erwischen lassen. Das war die nächste Schlamperei gewesen.
    Und jetzt das.
    Wu war erbarmungslos gegen sich selbst. Er war nicht unfehlbar. Nur Idioten glaubten das von sich. Möglich, dass er während der Haft etwas eingerostet war. Egal. Wu musste sich konzentrieren.
    Sykes’ Schlafzimmer war voller Fotos. Fünfzig Jahre lang war es das Schlafzimmer von Freddys Mutter gewesen. Sykes’ Vater war im Korea-Krieg gefallen. Sykes war damals noch ein Kind gewesen. Die Mutter war nie darüber hinweggekommen. Jeder reagiert unterschiedlich auf den Tod eines geliebten Menschen. Mrs. Sykes’ hatte es vorgezogen, in der Vergangenheit weiterzu leben, nicht in der Gegenwart.
    Wus Hand lag jetzt auf dem Türknauf.

    Das Badezimmer war klein, wie er wusste. Er versuchte sich vorzustellen, wo sich jemand verstecken konnte. Es fiel ihm nichts ein. Wu hatte eine Waffe in seinem Matchbeutel. Er überlegte kurz, ob er sie holen sollte. War der Eindringling bewaffnet, hatte er ein Problem.
    Zu selbstbewusst? Vielleicht. Aber Wu glaubte, auch ohne Waffe auszukommen.
    Er drehte den Türknauf und stieß zu.
    Freddy Sykes lag noch immer in der Badewanne – den Knebel im Mund – die Augen geschlossen. War Freddy bereits tot? Vermutlich. Ansonsten war der Raum leer. Ein Versteck gab es nicht. Niemand war

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