Kein böser Traum
überprüften verdächtige Autos. Sie hielten das Drogenproblem an den Schulen – ein Drogen-unter-weißen-Schulkindern-Problem – unter Kontrolle. Sie ermittelten in Fällen von Vandalismus. Sie kümmerten sich um Verkehrsprobleme, falsches Parken und Autounfälle. Sie taten ihr Bestes, den urbanen Verfall von Paterson, knappe drei Meilen vor den Toren Kasseltons, auf sicherer Distanz zu halten. Sie wurden allzu oft von falschem Alarm aufgeschreckt, ausgelöst durch die technologischen Brunftschreie zu vieler überteuerter Bewegungsmelder.
Perlmutters Revolver war bislang nur auf dem Schießstand zum Einsatz gekommen. Im Dienst hatte er seine Waffe noch nicht einmal ansatzweise ziehen müssen. In den vergangenen dreißig Jahren hatte es nur drei Todesfälle gegeben, die man im weitesten Sinne als »verdächtig« bezeichnen konnte, und alle drei Täter waren innerhalb weniger Stunden gefasst worden.
Was Schussverletzungen betraf, nun die hatte es zuhauf in Kasselton gegeben. Allerdings hatten sich diese die betreffenden Personen stets selbst beigebracht. Perlmutter verstand nicht viel von Politik. Er war sich des relativen Nutzens von Waffenkontrollen nicht sicher, aber er wusste aus persönlicher Erfahrung, dass eine Waffe, die zum Schutz von Familie und Besitz gekauft
wurde, letztendlich wesentlich häufiger für Selbstmord benutzt wurde. Tatsächlich hatte Perlmutter während seiner zahlreichen Dienstjahre nie einen Fall erlebt, bei dem ein Einbrecher mit der Waffe eines Hausbesitzers erschossen, aufgehalten oder verjagt worden wäre. Selbstmorde mit Handfeuerwaffen waren zahlreicher, als man zugeben wollte.
Ford Windstar. Er kreiste die beiden Worte erneut ein.
Und jetzt, nach all den Jahren, hatte Perlmutter einen Fall von versuchtem Mord, eine rätselhafte Entführung, eine Körperverletzung von nie da gewesener Brutalität und, wie er vermutete, noch einiges mehr auf der Liste. Er begann erneut, sich Notizen zu machen. Er schrieb den Namen Jack Lawson in die linke obere Ecke des Blocks. Anschließend den Namen Rocky Conwell in die rechte obere Ecke. Beide Männer, die als vermisst galten, hatten eine Mautstelle in einem benachbarten Staat zur gleichen Zeit passiert. Er verband die beiden Namen mit einem Strich.
Erste Verbindung.
Perlmutter schrieb Freddy Sykes’ Namen in die linke untere Ecke als Opfer eines brutalen Überfalls. Mike Swain notierte er in der rechten unteren Ecke. Er war angeschossen worden. Ein versuchter Mord. Die Verbindung zwischen diesen beiden Männern, also die zweite Verbindung, lag auf der Hand. Swains Frau hatte den Täter bei beiden Überfällen beobachtet. Es handelte sich um einen Chinesen von untersetzter Statur, der ihrer Beschreibung nach wie der Sohn von Odd Job aus dem alten James-Bond-Film Goldfinger aussah.
Eine Verbindung zwischen allen vier Fällen war nicht erkennbar. Jedenfalls gab es nichts, was die beiden verschwundenen Ehemänner mit der Tat dieses Odd-Job- Nachfahrens verbunden hätte. Bis auf eines – möglicherweise:
Der Ford Windstar.
Jack Lawson war mit einem blauen Ford Windstar verschwunden. Dieser Odd-Job -Verschnitt hatte einen blauen Windstar gefahren,
als er Sykes’ Anwesen verlassen und auf Swain geschossen hatte.
Zugegeben, das war bestenfalls eine sehr fadenscheinige Verbindung. Ein Ford Windstar war in diesem Vorort so häufig wie Brust-Implantate in einem Strip Club. Es war keine heiße Spur, wahrlich nicht. Doch zog man die Gepflogenheiten in dieser Stadt in Betracht, die Tatsache, dass Familienväter hier nicht einfach verschwanden, dass so viel kriminelle Energie für eine Stadt wie Kasselton außergewöhnlich war – dann war das zwar noch immer kein eindeutiger Hinweis, doch für Perlmutter immerhin genug, um gewisse Schlüsse daraus zu ziehen.
Irgendwie musste das alles zusammenhängen.
Perlmutter hatte keine Ahnung, wie, und wollte im Augenblick darüber auch nicht allzu eingehend nachdenken. Sollten doch die Jungs von der Spurensuche und die Laborfreaks zuerst einmal ihre Arbeit erledigen – Sykes’ Haus nach Fingerabdrücken und Haarresten untersuchen. Sollte doch der Polizeizeichner zuerst einmal eine Skizze anfertigen und die sensationelle Veronique Baltrus, die Computerfachfrau, Sykes’ Computer durchchecken. Für Spekulationen jeglicher Art war es einfach noch zu früh.
»Captain?«
Es war Daley.
»Was gibt’s?«
»Wir haben Rocky Conwells Wagen gefunden.«
»Wo?«
»Kennst du den ›Park and
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