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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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ausmachen«, sagte Bosch rasch.
    Edgar zog die Hand zurück.
    »Lass ihn an. Falls ihm noch mehr einfällt, möchte ich nicht, dass uns jemand zu unterstellen versucht, wir hätten es ihm untergeschoben.«
    Edgar nickte. Der andere Mann wandte sich vom Fenster ab und streckte seine Hand aus. Er sah aus, als wäre er nicht älter als dreißig. Er hatte dunkles Haar, das mit Gel nach hinten frisiert war, und sehr weiße Haut. Er hatte ein breites Lächeln auf den Lippen.
    »Hi, ich bin George Portugal, stellvertretender Bezirksstaatsanwalt.«
    Bosch stellte die leeren Tassen auf den Tisch und schüttelte ihm die Hand.
    »Sieht ganz so aus, als hätten Sie hier einen interessanten Fall«, sagte Portugal.
    »Der immer interessanter wird«, sagte Bosch.
    »Also, nach dem zu schließen, was ich die letzten zehn Minuten gesehen habe, brauchen Sie sich absolut keine Sorgen zu machen. Das wird das reinste Kinderspiel.«
    Bosch nickte, aber das Lächeln erwiderte er nicht. Am liebsten hätte er über die Dummheit von Portugals Bemerkung gelacht. Er hatte schon zu viel erlebt, um dem Instinkt eines jungen Staatsanwalts zu trauen. Er dachte daran, was alles passiert war, bevor sie Delacroix in das Zimmer auf der anderen Seite der Glasscheibe gebracht hatten. Und er wusste, so etwas wie reinste Kinderspiele gab es nicht.

38
    Um 19 Uhr fuhren Bosch und Edgar mit Samuel Delacroix ins Parker Center, um ihn wegen der Ermordung seines Sohnes in Haft zu nehmen. Zusammen mit Portugal hatten sie ihn noch einmal fast eine Stunde lang im Verhörzimmer vernommen, aber nur einige wenige neue Details über den Mord aus ihm herausgekitzelt. Die Erinnerung des Vaters an den Tod seines Sohnes war von zwanzig Jahren schlechtem Gewissen und Whiskey zersetzt worden.
    Portugal verließ den Raum immer noch in dem Glauben, der Fall wäre das reinste Kinderspiel. Bosch dagegen war nicht so sicher. Er war von freiwilligen Geständnissen nie so begeistert wie andere Detectives und Staatsanwälte. Er glaubte, dass es auf der Welt nur selten echte Reue gab. Er begegnete dem unerwarteten Geständnis mit äußerster Vorsicht und hielt ständig nach dem Spiel hinter den Wörtern Ausschau. Für ihn war jeder Fall wie ein im Bau befindliches Haus. Wenn ein Geständnis ins Spiel kam, wurde es die Betonplatte, auf der das Haus errichtet wurde. Wenn sie falsch gemischt oder falsch gegossen war, hielt das Haus dem Stoß des ersten Erdbebens möglicherweise nicht stand. Als er Delacroix ins Parker Center fuhr, musste er ständig denken, dass im Fundament dieses Hauses unsichtbare Risse waren. Und dass das Erdbeben kommen würde.
    Bosch wurde durch das Trällern des Handys aus seinen Gedanken gerissen. Es war Lt. Billets.
    »Sie beide haben sich hier einfach aus dem Staub gemacht, ohne mir was zu sagen.«
    »Wir sind gerade dabei, ihn im Parker Center abzuliefern.«
    »Sie hören sich sehr zufrieden an.«
    »Na ja … ich kann jetzt nicht reden.«
    »Sind Sie mit ihm im Auto?«
    »Ja.«
    »Ist es ernst, oder sind Sie wieder mal übervorsichtig?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Ich kriege hier ständig Anrufe von Irving und der Pressestelle. Wahrscheinlich hat die Presseabteilung des Bezirksstaatsanwalts bereits anklingen lassen, dass demnächst Anklage erhoben wird. Wie soll ich die Angelegenheit Ihrer Ansicht nach behandeln?«
    Bosch sah auf die Uhr. Er nahm an, dass sie es nach Delacroix’ Einlieferung bis acht Uhr zu Sheila Delacroix’ Haus schaffen würden. Das Problem war nur, dass eine Pressemitteilung möglicherweise zur Folge hätte, dass vorher schon Journalisten bei ihr aufkreuzten.
    »Wissen Sie was, wir wären gern vorher bei der Tochter. Können Sie bei der Staatsanwaltschaft anrufen und sie bitten, erst um neun damit an die Öffentlichkeit zu gehen? Das gleiche gilt natürlich auch für unsere Pressestelle.«
    »Kein Problem. Und noch was. Wenn Sie den Kerl abgeliefert haben, rufen Sie mich an, sobald Sie ungehindert sprechen können. Zu Hause. Falls es Probleme gibt, möchte ich es gern wissen.«
    »Geht in Ordnung.«
    Er machte das Telefon aus und sah zu Edgar hinüber.
    »Als Erstes muss Portugal wohl gleich seine Presseabteilung angerufen haben.«
    »Passt. Wahrscheinlich sein erster großer Fall. Er wird ihn bis zum Gehtnichtmehr ausschlachten.«
    »Das glaube ich auch.«
    Ein paar Minuten fuhren sie schweigend weiter. Bosch dachte über das nach, was er Billets gegenüber angedeutet hatte. Er konnte den Grund seines Unbehagens nicht recht

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