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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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zusammenzufallen. Er wischte sich mit den Handballen Tränen aus den Augenwinkeln.
    »Sie haben ihn geschlagen?«
    »Ja.«
    »Wohin?«
    »Überall, schätze ich.«
    »Auch am Kopf?«
    »Ja.«
    »Es war in seinem Zimmer, sagten Sie?«
    »Ja, in seinem Zimmer.«
    »Womit haben Sie ihn geschlagen?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Haben Sie ihn mit den Fäusten geschlagen oder mit irgendeinem Gegenstand?«
    »Ja, beides. Mit den Händen und einem Gegenstand.«
    »Mit welchem Gegenstand haben Sie Ihren Sohn geschlagen?«
    »Daran kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Ich muss … es war etwas, was er rumliegen hatte. In seinem Zimmer. Ich muss mal nachdenken.«
    »Darauf können wir später zurückkommen, Mr. Delacroix. Warum haben Sie an diesem Tag – zuallererst, wann ist es passiert? Zu welcher Tageszeit?«
    »Am Vormittag. Nachdem Sheila – das ist meine Tochter – in die Schule gegangen war. Das ist wirklich alles, woran ich mich erinnern kann: dass Sheila weg war.«
    »Was war mit Ihrer Frau, der Mutter des Jungen?«
    »Oh, sie hatte uns schon lange verlassen. Sie war der Grund, warum ich anfing –«
    Er brach ab. Bosch nahm an, er würde die Schuld für seine Alkoholprobleme auf seine Frau schieben, womit ihr praktischerweise auch gleich die Schuld an allem zufiele, was seine Alkoholprobleme nach sich gezogen hatten, den Mord inklusive.
    »Wann haben Sie zum letzten Mal mit Ihrer Frau gesprochen?«
    »Ex-Frau. Ich habe nicht mehr mit ihr gesprochen, seit sie mich verlassen hat. Das war …«
    Er sprach nicht weiter. Er konnte sich nicht erinnern, wann es gewesen war.
    »Und Ihre Tochter? Wann haben Sie mit ihr zum letzten Mal gesprochen?«
    Delacroix wandte den Blick von Bosch ab und richtete ihn auf seine Hände auf dem Tisch.
    »Das ist lange her.«
    »Wie lange?«
    »Ich weiß es nicht. Wir reden nicht miteinander. Sie hat mir geholfen, den Wohnwagen zu kaufen. Das war vor fünf oder sechs Jahren.«
    »Sie haben diese Woche nicht mit ihr gesprochen?«
    Delacroix sah mit einem fragenden Blick zu ihm auf.
    »Diese Woche? Nein. Warum sollte ich –«
    »Lassen Sie mich die Fragen stellen. Und die Nachrichten? Haben Sie in den letzten paar Wochen keine Zeitung gelesen oder im Fernsehen Nachrichten gesehen?«
    Delacroix schüttelte den Kopf.
    »Was sie jetzt so im Fernsehen bringen, gefällt mir nicht. Ich sehe mir lieber Videos an.«
    Bosch merkte, dass er vom Weg abgekommen war. Er beschloss, zur eigentlichen Geschichte zurückzukommen. Im Moment ging es vor allem darum, dass er ein brauchbares Geständnis für Arthur Delacroix’ Tod bekam. Es musste stichhaltig und detailliert genug sein, um vor Gericht zu bestehen. Bosch war vollkommen klar, dass das Geständnis früher oder später widerrufen würde, wenn Delacroix einmal einen Anwalt bekommen hatte. Das war immer so. Es würde an allen Fronten angefochten – angefangen bei Verfahrensfragen bis hin zum Geisteszustand des Verdächtigen –, und Boschs Aufgabe war nicht nur, das Geständnis aufzunehmen, sondern auch dafür zu sorgen, dass es überlebte und schließlich zwölf Geschworenen vorgelegt werden konnte.
    »Wieder zurück zu Ihrem Sohn Arthur. Können Sie sich noch erinnern, mit welchem Gegenstand Sie ihn am Tag seines Todes geschlagen haben?«
    »Ich schätze mal, es war dieser kleine Baseballschläger, den er hatte. So ein Miniaturschläger, ein Souvenir von einem Dodgers-Spiel.«
    Bosch nickte. Er kannte diese Schläger. Sie wurden an Fanartikel-Ständen verkauft und waren ein bisschen wie die Knüppel, mit denen die Polizei ausgerüstet gewesen war, bevor die Metallschlagstöcke eingeführt wurden. Sie konnten tödlich sein.
    »Warum haben Sie ihn geschlagen?«
    Delacroix blickte auf seine Hände hinab. Bosch merkte, dass er keine Fingernägel mehr hatte. Es tat weh, sie anzusehen.
    »Ähm, das weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich war ich betrunken. Ich …«
    Wieder brachen die Tränen aus ihm hervor, und er verbarg das Gesicht in seinen gefolterten Händen. Bosch wartete, bis er die Hände sinken ließ und fortfuhr.
    »Er … er hätte in der Schule sein sollen. Aber das war er nicht. Ich schaute in sein Zimmer, und da war er. Ich wurde wütend. Ich zahlte für diese Schule viel Geld – Geld, das ich gar nicht hatte. Ich fing an, rumzubrüllen. Ich fing an, ihn zu schlagen, und dann … dann schnappte ich mir einfach den kleinen Schläger und drosch damit auf ihn ein. Wahrscheinlich habe ich zu fest zugeschlagen. Jedenfalls

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