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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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hatte.
    »Vergebung.«
    »Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt.«
    »Nein, das ist mein voller Ernst. Der Mann wird alt, er ist am Ende. Wenn man mehr hat, auf das man zurückblicken als auf das man vorausschauen kann, fängt man zwangsläufig an, über die Dinge nachzudenken, die man getan hat. Man versucht, etwas gutzumachen. Er denkt, seine Tochter hat seinen Sohn wegen der Dinge umgebracht, die er ihr angetan hat. Was hat er außerdem groß zu verlieren? Er lebt in einem Wohnwagen direkt am Freeway und arbeitet auf einer Driving Range. Und das ist wohlgemerkt ein Mann, der Ruhm und Reichtum schon einmal zum Greifen nahe hatte. Aber sehen Sie sich ihn jetzt an. Er könnte das als seine letzte Gelegenheit angesehen haben, alles wieder gutzumachen.«
    »Und er täuscht sich in ihr, weiß es aber nicht.«
    »Ganz genau.«
    Portugal stieß seinen Stuhl vom Schreibtisch zurück. Er war auf Rädern, und er ließ ihn gegen die Wand hinter seinem Schreibtisch krachen.
    »Ich habe da unten einen Kerl, den ich mit links hinter Gitter bringen könnte, und jetzt kommen Sie an und möchten, dass ich ihn laufen lasse.«
    Bosch nickte.
    »Wenn ich mich täusche, können Sie ihn immer noch ein zweites Mal unter Anklage stellen. Aber wenn ich Recht habe, wird er da unten versuchen, sich schuldig zu bekennen. Kein Prozess, kein Anwalt, nichts. Er möchte sich schuldig bekennen, und wenn ihn der Richter lässt, können wir einpacken. Dann hat der wahre Mörder Arthurs nichts mehr zu befürchten.«
    Bosch sah zu Edgar hinüber.
    »Was denkst du?«
    »Also, ich glaube, da liegst du nicht ganz falsch.«
    Portugal lächelte, aber nicht, weil er etwas daran witzig fand.
    »Zwei gegen einen. Das ist nicht fair.«
    »Es gibt zwei Dinge, die wir tun können, um uns etwas mehr Gewissheit zu verschaffen«, sagte Bosch. »Er ist wahrscheinlich inzwischen in der Arrestzelle unten. Wir können jetzt zu ihm runtergehen und ihm sagen, es war Sheila, die uns die Identifizierung ermöglicht hat, und ihn ganz direkt fragen, ob er sie decken will.«
    »Und?«
    »Wir können ihn auffordern, einen Lügendetektortest machen zu lassen.«
    »Das bringt doch nichts. Er würde bei einem Prozess nie –«
    »Ich rede doch hier nicht vom Prozess. Ich will ihn nur bluffen. Wenn er lügt, lässt er sich nicht darauf ein.«
    Portugal zog seinen Stuhl wieder an den Schreibtisch zurück. Er griff nach der Zeitung und blickte eine Weile auf den Artikel. Dann schien es, als nähmen seine Augen eine Bestandsaufnahme der Dinge auf seinem Schreibtisch vor, während er nachdachte und eine Entscheidung traf.
    »Also gut«, sagte er schließlich. »Tun Sie das. Ich ziehe die Anklage zurück. Vorerst.«

44
    Bosch und Edgar gingen nach draußen zum Lift, und nachdem Edgar auf den Knopf gedrückt hatte, um ihn nach oben zu holen, blieben sie schweigend davor stehen.
    Bosch blickte auf sein verschwommenes Spiegelbild in der Edelstahltür des Lifts. Er schaute zu Edgars Spiegelbild hinüber und sah schließlich seinen Partner direkt an.
    »Und?«, fragte er. »Wie sauer bist du?«
    »Irgendwo zwischen sehr und nicht allzu sehr.«
    Bosch nickte.
    »Du hast mich da drinnen wirklich ganz schön blöd dastehen lassen, Harry.«
    »Ich weiß. Tut mir Leid. Sollen wir nicht lieber die Treppe runtergehen?«
    »Hab Geduld, Harry. Was war gestern Abend mit deinem Handy los? War es kaputt oder was?«
    Bosch schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich wollte nur … ich war nicht sicher, was ich von der Sache halten soll, deshalb wollte ich erst mal Verschiedenes selbst nachprüfen. Außerdem wusste ich, dass du donnerstagabends immer den Jungen hast. Und als ich dann die Tochter im Wohnwagen überrascht habe – damit war nun wirklich nicht zu rechnen.«
    »Und was war, als du angefangen hast, den Wohnwagen zu durchsuchen? Da hättest du doch anrufen können. Um diese Zeit war mein Junge längst wieder zu Hause im Bett.«
    »Ja, ich weiß. Das hätte ich tun sollen, Jed.«
    Edgar nickte, und damit war die Sache erledigt.
    »Weißt du, mit deiner Theorie stehen wir wieder ganz am Anfang.«
    »Ja, ganz am Anfang. Wir müssen noch mal von vorn anfangen, alles noch mal überprüfen.«
    »Willst du das am Wochenende machen?«
    »Ja, wahrscheinlich.«
    »Dann ruf mich an.«
    »Mach ich.«
    Schließlich gewann Boschs Ungeduld die Oberhand.
    »Jetzt reicht’s mir. Ich nehme die Treppe. Wir treffen uns unten.«
    Er verließ die Nische mit den Aufzügen und ging zum Treppenhaus.

45
    Von einer

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