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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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verstand Bosch nicht.
    »Augenblick? Wo? Ich habe nirgendwo –«
    »Ich habe die Achsen abgemacht – Sie wissen schon, die Rollen. Ich hatte zwischendrin immer wieder etwas Zeit, und ich wollte nachsehen, ob auf den Achsen irgendwelche Herstellerangaben waren. Sie wissen schon, Patent- oder Markenangaben. Da waren aber keine. Doch dann sah ich, dass jemand die Jahreszahl in das Holz geritzt hatte. Sie war in die Unterseite des Decks gekratzt, wo sie dann aber durch die Achsen verdeckt war.«
    »Meinen Sie, als das Skateboard gemacht wurde?«
    »Nein, ich glaube nicht. Es sieht nicht sehr professionell aus. Es war sogar kaum zu erkennen. Ich musste es unter Glas und schräg einfallendes Licht legen. Eher glaube ich, der ursprüngliche Besitzer wollte sein Deck auf diese Weise versteckt kennzeichnen, falls es mal Streit geben würde, wem es gehört. Wenn es ihm zum Beispiel mal gestohlen würde. Wie ich in meinem Bericht geschrieben habe, waren Boney-Boards damals sehr begehrt. Sie waren schwer zu kriegen – möglicherweise war es einfacher, eins zu klauen als in einem Laden eins aufzutreiben. Deshalb hat der Junge, dem es gehörte, die Hinterachse abgeschraubt – das war allerdings die ursprüngliche Achse, nicht die jetzige – und das Datum eingeritzt. Neunzehnhundertachtzig A. D.«
    Bosch sah zu Edgar hinüber, der mit der Hand über dem Mundstück telefonierte. Ein Privatgespräch.
    »Haben Sie A. D. gesagt?«
    »Ja, wissen Sie, wie in Anno Domini. Das ist Latein. Es steht für Jahr des Herrn. Hab ich nachgeschlagen.«
    »Nein, es steht für Arthur Delacroix.«
    »Was? Wer ist das?«
    »Das Opfer, Antoine. Arthur Delacroix. Wie A. D.«
    »Das ist ja blöd! Ich hatte den Namen des Opfers nicht hier, Bosch. Als Sie das ganze Beweismaterial eingereicht haben, war er noch irgendjemand, und Sie haben uns keine Nachträge geschickt, Mann. Ich wusste nicht mal, dass Sie das Opfer identifiziert haben.«
    Bosch hörte ihm schon nicht mehr zu. Ein Adrenalinstoß schoss durch seinen Körper. Er wusste, sein Puls begann schneller zu gehen.
    »Antoine, bleiben Sie, wo Sie sind. Ich komme vorbei.«
    »Ich bin hier.«

47
    Der Freeway war verstopft von den Autos der Leute, die frühzeitig ins Wochenende aufbrachen. Bosch konnte sein Tempo nicht beibehalten, als er in Richtung Downtown fuhr. Er stand unter enormer Anspannung. Der Grund dafür waren Jespers Entdeckung und die Nachricht vom O-3.
    Er drehte das Handgelenk am Lenkrad, um auf seine Armbanduhr sehen und das Datum ablesen zu können. Versetzungen wurden normalerweise am Ende einer Gehaltsperiode vorgenommen. Man bekam sein Gehalt zweimal im Monat ausgezahlt – am Ersten und am Fünfzehnten. Wenn sie ihn sofort versetzen wollten, blieben ihm nur drei oder vier Tage, um den Fall zu lösen. Er wollte nicht, dass er ihm entzogen würde und er ihn Edgar oder sonst jemandem überlassen müsste. Er wollte ihn zum Abschluss bringen.
    Bosch fischte den Zettel mit der telefonischen Nachricht aus der Tasche. Er fuhr mit den Handkanten am Lenkrad, als er ihn auseinander faltete. Er betrachtete ihn einen Moment, dann holte er das Handy heraus. Er wählte die Nummer auf dem Zettel und wartete.
    »Office of Operations, Lieutenant Bollenbach.«
    Bosch schaltete das Telefon aus. Er spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. Er fragte sich, ob Bollenbachs Telefon die Nummer des Anrufers anzeigte. Es war lächerlich, den Anruf hinauszuschieben, weil das, was geschehen würde, geschehen würde, ob er nun anrief, um es sich mitteilen zu lassen, oder nicht.
    Er legte das Handy und den Zettel beiseite und versuchte, sich auf den Fall zu konzentrieren, vor allem auf Antoine Jespers letzte Information über das in Nicholas Trents Haus gefundene Skateboard. Bosch merkte, dass er in dem Fall nach zehn Tagen vollkommen im Dunkeln tappte. Ein Mann, den er trotz heftiger Gegenstimmen aus den Reihen der Polizei entlastet hatte, war inzwischen der einzige Verdächtige – und es gab eindeutige Indizien für eine Verbindung zwischen ihm und dem Opfer. Der Gedanke, der sich sofort durch das alles bohrte, war, dass Irving vielleicht Recht hatte. Es wurde Zeit, dass Bosch ging.
    Sein Handy trällerte, und er dachte sofort, es wäre Bollenbach. Zuerst wollte er nicht drangehen, aber dann entschied er, sein Schicksal ließe sich nicht abwenden. Er klappte das Handy auf. Es war Edgar.
    »Harry, was machst du gerade?«
    »Hab ich dir doch gesagt. Ich muss zur Spurensicherung.«
    Von Jespers jüngster

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