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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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nichts, und er redete weiter.
    »Jedenfalls sah ich mir ganz zum Schluss meine Fünfundvierziger an, ob irgendwas damit nicht in Ordnung war, und dann merkte ich, warum er mich nicht getroffen hatte. Die Kugel dieses Typen steckte im Lauf meiner Waffe. Zusammen mit meiner. Wir hatten aufeinander gezielt, und sein Schuss ging genau in den Lauf meiner Pistole. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass das passieren würde? Eins zu einer Million? Zu einer Milliarde?«
    Beim Sprechen streckte er seine leere Hand aus wie eine auf sie gerichtete Waffe. Er hielt sie direkt vor seiner Brust. Die Kugel damals in dem unterirdischen Gang hatte seinem Herz gegolten.
    »Wahrscheinlich möchte ich dich nur wissen lassen, dass ich weiß, wie viel Glück ich heute Abend bei dir gehabt habe.«
    Er nickte und drehte sich um und stieg die Stufen hinunter.

17
    Die Ermittlungen in einem Mordfall gehen mit Sackgassen, Hindernissen und Unmengen an vergeudeter Zeit und Mühe einher. Obwohl sich Bosch darüber jeden Tag seiner Existenz als Polizist im Klaren war, bekam er es trotzdem wieder einmal vor Augen geführt, als er am Montag kurz vor Mittag an den Morddezernattisch kam und feststellen musste, dass Zeit und Mühe des Vormittags höchstwahrscheinlich umsonst gewesen waren, während gleichzeitig ein neues Hindernis auf ihn wartete.
    Das Morddezernat war in der hinteren Ecke des Bereitschaftsraums der Detectives untergebracht. Es bestand aus drei Teams zu jeweils drei Mann. Jedes Team hatte einen Tisch, der aus den zusammengeschobenen Schreibtischen der drei Detectives bestand, von denen zwei frontal aneinander stießen, während der dritte auf einer Seite stand. Am Tisch von Boschs Team, an dem Schreibtisch, der durch Kiz Riders Versetzung frei geworden war, saß eine junge Frau in einem Kostüm. Sie hatte dunkles Haar und noch dunklere Augen. Es waren Augen, stechend genug, um damit eine Walnuss zu schälen, und sie blieben die ganze Zeit auf Bosch haften, als er den Bereitschaftsraum durchquerte.
    »Kann ich was für Sie tun?«, fragte er, als er den Tisch erreichte.
    »Harry Bosch?«
    »Ja, der bin ich.«
    »Detective Carol Bradley, IAD. Ich muss eine Aussage von Ihnen zu Protokoll nehmen.«
    Bosch sah sich um. Im Bereitschaftsraum waren mehrere Leute. Sie taten beschäftigt, beobachteten ihn aber verstohlen.
    »Eine Aussage worüber?«
    »Deputy Chief Irving hat uns von der Dienstaufsicht beauftragt festzustellen, ob das Vorstrafenregister von Nicholas Trent widerrechtlich an die Medien weitergegeben wurde.«
    Bosch hatte sich noch nicht gesetzt. Er stand hinter seinem Stuhl und legte die Hände auf die Lehne. Er schüttelte den Kopf.
    »Es ist, glaube ich, ziemlich sicher, dass diese Information widerrechtlich weitergegeben wurde.«
    »Dann muss ich herausfinden, wer es getan hat.«
    Bosch nickte.
    »Ich versuche hier, Ermittlungen anzustellen, und das Einzige, was überhaupt jemanden zu interessieren scheint, ist –«
    »Ich weiß, Sie halten das alles für Blödsinn. Und vielleicht halte auch ich es für Blödsinn. Aber ich habe den Befehl erhalten. Darum gehen wir doch in eins der Zimmer hier und halten Ihre Geschichte auf Band fest. Es wird nicht lange dauern. Und dann können Sie wieder Ihren Ermittlungen nachgehen.«
    Bosch legte seine Aktentasche auf den Tisch und öffnete sie. Er nahm sein Tonbandgerät heraus. Es war ihm wieder eingefallen, als er in der Stadt unterwegs gewesen war, um in den Krankenhäusern die Durchsuchungsbefehle abzugeben.
    »Weil wir gerade von Tonbandaufnahmen reden – warum gehen Sie nicht erst mal mit dieser da in eins der Zimmer und hören sie sich an? Ich habe gestern Abend das Band mitlaufen lassen. Damit dürfte die Frage nach meiner Beteiligung an der ganzen Affäre ziemlich rasch geklärt sein.«
    Als sie das Tonbandgerät zögernd an sich nahm, zeigte Bosch auf den Gang, der zu den drei Verhörräumen führte.
    »Trotzdem muss ich –«
    »Sicher. Hören Sie sich das Band an, dann reden wir weiter.«
    »Ihren Partner brauche ich auch.«
    »Er muss jeden Moment hier auftauchen.«
    Bradley ging mit dem Kassettenrecorder den Gang hinunter. Jetzt erst setzte sich Bosch. Er verzichtete darauf, einen der anderen Detectives anzusehen.
    Es war noch nicht mal Mittag, aber er fühlte sich komplett erschlagen. Er hatte den Vormittag damit zugebracht, in Van Nuys auf einen Richter zu warten, der die neunzehn Durchsuchungsbefehle für die Krankenhausunterlagen unterzeichnete, und dann durch die

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