Kein Entkommen
auf, Sam.«
»Nein. So was würdest du nie fertigbringen.«
»So viel zum Thema Vertrauen.«
Ihre Mundwinkel hoben sich. »Zumindest muss ich so tun, als sei ich objektiv. Aber ich stehe voll und ganz auf deiner Seite, David. Ich kann dir nur nicht versprechen, dass mein Artikel ohne Änderungen in Druck geht. Apropos.« Sie sah auf ihre Uhr. Es war zehn nach acht. Ich wusste, dass sie ihre Story bis halb zehn fertig haben musste, damit sie noch ins Blatt kam.
»Wieso hast du mich mitgeschleppt?«, fragte sie. »Willst du mir ein Exklusiv-Interview geben?«
»Sei vorsichtig«, sagte ich. »Halt die Augen auf.«
»Was? Wovon redest du?«
»Du bist nicht in Gefahr oder so. Trotzdem, pass auf. Ich glaube, dass Madeline unsere E-Mails überwachen lässt.«
»Wie bitte?« Sam blieb der Mund offen stehen. »Unsere Herausgeberin liest meine persönlichen E-Mails?«
»Ja. Jedenfalls spricht einiges dafür.«
»Heilige Scheiße«, sagte sie. »Wie kommst du denn darauf?«
»Vor ein paar Tagen habe ich eine anonyme Mail bekommen. Von einer Frau, die über das Gefängnisprojekt auspacken wollte. Und über die Stadträte, die sich von der Betreiberfirma schmieren lassen.«
»Okay.«
»Ich habe die Mail nur kurz gelesen und anschließend gelöscht. Sie war höchstens ein paar Minuten auf meinem Rechner. Trotzdem hat Elmont Sebastian davon erfahren. Er wusste, dass jemand versucht hat, mit mir in Kontakt zu treten. Zuerst habe ich mich gefragt, ob er irgendwie spitzgekriegt hat, woher die Mail kam, aber das glaube ich nicht. Der Tipp kam von jemandem beim Standard . Und wer außer Madeline könnte auf die E-Mails der Redakteure zugreifen?«
»Und warum sollte sie das tun?«
»Deine E-Mails interessieren sie wahrscheinlich nicht, meine dagegen schon. Die Russells besitzen ein Stück Land, das sie Elmont Sebastian für den Bau seines Knasts verkaufen wollen. Mit dem Grundstücksverkauf wären alle Probleme des Standard vorerst gelöst, und genau deshalb ist Kritik an Sebastians Vorhaben auch nicht erwünscht. Ich glaube jedenfalls, dass Madeline die anonyme E-Mail gesehen und Sebastian umgehend darüber informiert hat.«
»Was ist mit Brian?«, fragte Sam. »Vielleicht hat er die E-Mails in ihrem Auftrag gecheckt. Die beiden glucken doch immer zusammen.«
Ich überlegte. »Möglich«, sagte ich. »Aber wie auch immer, wir können Madeline nicht trauen. Und ich wollte, dass du Bescheid weißt.«
»Dann werden sie meine Story garantiert ändern. Glaubst du, sie benutzen Jans Verschwinden, um dich in schlechtes Licht zu rücken? Anscheinend bist du ihnen ein ziemlicher Dorn im Auge. Und wenn sie dich erst mal abserviert haben, ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass sich irgendein anderer Redakteur kritisch mit der Knastgeschichte beschäftigt.«
»Eher nicht.« Ich verzichtete darauf, ihr davon zu erzählen, dass Elmont Sebastian bereits alle möglichen Hebel bei mir selbst angesetzt hatte. Mit seinem Jobangebot. Und den unterschwelligen Drohungen gegen meinen Sohn. Ich konnte immer noch nicht ausschließen, dass er etwas mit Jans Verschwinden zu tun hatte, obwohl mir nach wie vor keine logische Erklärung einfiel.
»Ich muss los«, sagte Sam. »Sonst kriege ich den Artikel nicht mehr fertig.«
Ich sah sie beschwörend an. »Ich habe nichts mit Jans Verschwinden zu tun.«
Sanft berührte sie meine Brust. »Ich glaube dir. Ich werde nichts schreiben, was dir irgendwie schaden könnte.«
Und damit ging sie.
Mom trat zu mir und schloss die Tür hinter Sam.
»Ich mochte sie noch nie«, sagte sie.
***
Es war kurz vor halb zehn, als ich in meine eigene Einfahrt einbog. Reporter und andere Pressetypen waren nirgendwo zu sehen. Anscheinend waren sie mit meiner kleinen Ansprache zufrieden gewesen und hatten beschlossen, mich zumindest für den Rest des Abends in Frieden zu lassen.
Ethan war auf dem Nachhauseweg eingeschlafen. Behutsam hob ich ihn aus seinem Kindersitz. Sein Kopf ruhte an meiner Schulter, als ich ihn ins Haus trug. Als ich über die Schwelle trat, blickte ich direkt auf das Chaos, das die Polizei bei ihrer Hausdurchsuchung hinterlassen hatte. Sofakissen lagen im Wohnzimmer verstreut; Bücher aus den Regalen waren achtlos auf den Boden geworfen worden, und auch die Teppiche lagen nicht mehr an Ort und Stelle. Es sah nicht so aus, als wäre etwas beschädigt worden, doch würde es reichlich Zeit in Anspruch nehmen, wieder für Ordnung zu sorgen.
Ich bettete Ethan vorsichtig auf das Sofa. Dann ging ich
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