Kein Entkommen
gern einen Blick in unser Schließfach werfen«, sagte Jan.
»Selbstverständlich«, sagte die Kundenberaterin. Sie notierte Dwaynes Namen und bat ihn um eine Unterschrift. Dann führte sie die beiden in einen gesicherten Raum, in dem sich die kleinen, rechteckigen Schließfächer befanden.
»Ihres ist gleich hier drüben«, sagte die Frau und steckte ihren Schlüssel in das Doppelschloss. Jan kramte den Schlüssel hervor, den sie seit fünf Jahren bei sich trug, und tat dasselbe. Die Schließfachtür öffnete sich, dann zog die Frau eine längliche Kassette heraus.
»Wenn Sie mir bitte folgen würden«, sagte sie, öffnete eine angrenzende Tür und ließ Dwayne und Jan eintreten. Sie stellte die Kassette auf einen Tisch und schloss die Tür hinter sich. Der Raum war etwa sechs Quadratmeter groß und hell erleuchtet. Vor dem Tisch stand ein gepolsterter Bürostuhl.
»Da war ja sogar meine Zelle größer«, bemerkte Dwayne, klappte den Deckel der Kassette auf und sah hinein. »Oh, Mann.«
Er blickte auf einen schwarzen Stoffbeutel mit Zugband, der ein bisschen an einen Schuhsack erinnerte.
Jan nahm ihn heraus und betastete den Inhalt durch den Stoff.
»Fühlt sich wie Zähne an«, sagte sie nervös.
Sie zog das Band auf und kippte den Inhalt vorsichtig auf den Tisch.
Die Diamanten kullerten auf die Tischplatte. Sie waren nicht einmal so groß wie Zähne und funkelten so intensiv, dass Jan einen Moment lang die Augen weh taten. Es waren Aberdutzende von Steinen, so viele, dass ihr der Atem stockte.
»Wahnsinn!«, stieß Dwayne hervor, als hätte er sie noch nie gesehen. Er nahm ein paar, ließ sie in seiner Handfläche hin und her rollen und hielt einen gegen das Neonlicht, als könne er so seinen Wert bestimmen.
Ungläubig schüttelte Jan den Kopf.
»Und das ist gerade mal die Hälfte, Süße«, sagte Dwayne. »Verdammt noch mal, wir sind reich!«
»Krieg dich wieder ein«, sagte Jan. »Reiß dich zusammen. Wenn wir jetzt nicht cool bleiben, vermasseln wir das Ganze.«
»Was denn? Glaubst du, ich gehe nach nebenan und kauf mir einen Latte macchiato mit den Klunkern?«
»Ich … Ich hatte ganz vergessen, wie viele es sind«, flüsterte sie.
Sie sammelte die Steine ein und steckte sie in den Beutel zurück. »Einer ist auf den Boden gefallen«, sagte sie.
Dwayne ging in die Hocke und fuhr mit den Handflächen über den grauen Teppichboden. »Hab ihn«, sagte er. Dann schlang er die Arme um Jans Beine, zog sie fest an sich und vergrub sein Gesicht zwischen ihren Schenkeln.
»Wie wär’s, wenn wir gleich hier ’ne Nummer schieben?«, sagte er.
»Feiern können wir später«, gab sie zurück. »Erst holen wir uns die Kohle, und dann vögeln wir uns die Seele aus dem Leib.«
Sag ihm einfach, was er hören will.
Dwayne erhob sich und nahm ihr den Beutel ab.
»Ich stecke ihn in meine Handtasche«, sagte sie.
»Nein, schon okay.« Eine deutliche Wölbung entstand, als er den Beutel in die rechte Vordertasche seiner Jeans stopfte. »Und jetzt lass uns gehen, Baby.«
***
Jan wies Dwayne die Richtung. Sie fuhren über die Harvard Bridge, ließen den River Charles hinter sich und fuhren zur Cambridge Street.
»Hier kannst du halten«, sagte sie.
»Hab ich’s mir doch gedacht«, erwiderte er und hielt vor einer Filiale der Bank of America. Jan schüttelte den Kopf und deutete wortlos zu einer Zweigstelle der Revere Federal hinüber.
»Ist ja ein Ding«, sagte er, während er in seiner linken Hosentasche nach dem Schließfachschlüssel kramte.
Er hatte die Hand bereits am Türgriff, als Jan ihn zurückhielt. »Diesmal nehme ich die Steine.«
»Klar, nichts dagegen, Süße.« Er entwand ihr seinen Arm.
»Nur damit das klar ist.«
Sie überquerten die Straße und wären um ein Haar von einem Geländewagen überfahren worden, als sie an der Mittellinie warteten, bis die andere Spur frei war. Super , dachte sie. So dicht dran, und dann wirst du von so einer Karre umgenietet.
Als sie die andere Straßenseite sicher erreicht hatten, betraten sie das Bankgebäude. Alles lief fast genauso ab wie bei ihrem ersten Abstecher. Diesmal führte sie ein junger Inder zuerst zu den Schließfächern und dann in einen Nebenraum, in dem sie den Inhalt der Kassette begutachten konnten.
»Diamanten haben Ewigkeitswert«, sagte Dwayne, als Jan den Beutel öffnete und die Steine auf den Tisch fallen ließ.
Sie blieben nicht lange. Sobald Jan den Beutel in ihrer Handtasche verstaut hatte, kehrten sie zum Wagen
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