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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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zurück.
    Sie hatten ihre komplette Beute wieder.
    In einer besseren Welt gäbe es garantiert eine Möglichkeit, an Dwaynes Hälfte zu kommen, ohne den Mistkerl am Hacken zu haben, dachte sie.
    Gleichzeitig fragte sie sich, ob er ähnliche Gedanken hegte.

35
    Sam hatte nichts Negatives über mich geschrieben, und soweit ich es beurteilen konnte, hatte auch niemand in ihrem Text herumgepfuscht. Nichts war verdreht oder übertrieben worden. Der Artikel hielt sich strikt an die Fakten, berichtete nüchtern, was in den vergangenen achtundvierzig Stunden passiert war. Zwar wurde erwähnt, dass mich die Polizei eingehend über Jans Verschwinden befragt hatte, doch wurde ich nicht als Verdächtiger bezeichnet. Auch Detective Duckworth, der mehrmals zitiert wurde, hatte sich in dieser Hinsicht bedeckt gehalten.
    Auch berichtete Sam davon, dass unweit des Lake George die Leiche einer Frau gefunden worden war. Zwar mochte sich der eine oder andere Leser zusammenreimen, dass ich Jan umgebracht und dort oben begraben hatte, doch im Artikel selbst wurden keinerlei Rückschlüsse gezogen. Die Polizei hatte die Leiche bislang nicht offiziell als Leanne Kowalski identifiziert, zumindest nicht bis Redaktionsschluss. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass die Information inzwischen auf der Website des Standard nachzulesen war, auch wenn ich es nicht überprüfen konnte, da die Polizei meinen Laptop beschlagnahmt hatte.
    Ich hatte eine Menge vor an diesem Montag. Zuerst aber musste ich Ethan wecken und zu meinen Eltern bringen. Kurz nach acht betrat ich sein Zimmer, hockte mich auf die Bettkante und strich ihm sanft über die Schulter.
    »Hopp, mein Freund«, sagte ich. Als ich die Decke von seinem Körper streifte, sah ich, dass er sich während der Nacht mehrere Spielzeugautos und Actionfiguren ins Bett geholt hatte.
    »Ich bin müde«, maulte er, griff nach einem seiner Autos und drückte es an seine Wange, als sei es ein Teddybär.
    »Ich weiß. Aber bald gehst du in die Schule, dann musst du jeden Morgen so früh aufstehen.«
    »Ich will nicht in die Schule«, sagte er und vergrub seinen Kopf im Kissen.
    »Das sagen alle Kinder«, gab ich zurück. »Aber wenn sie erst einmal in der Schule sind, finden sie es nicht so schlecht.«
    »Ich will nur zu Oma und Opa.«
    »Ach ja? Gestern warst du aber gar nicht so scharf auf sie«, erinnerte ich ihn. Abermals vergrub er seinen Kopf im Kissen, eine Diskussionsstrategie, die ich auch gern mal angewandt hätte. »In der Schule lernst du viele andere Kinder kennen. Und Oma und Opa kannst du immer noch ganz oft besuchen.«
    Er wandte den Kopf und schnappte nach Luft. »Macht Mommy uns Frühstück?«
    »Das mache ich heute. Was willst du haben?«
    »Cheerios«, sagte er. Er überlegte einen Moment. »Und Kaffee.«
    »Vergiss es«, erwiderte ich. »Obwohl dich ein Tässchen wahrscheinlich wach machen würde.«
    »Wie schmeckt Kaffee?«
    »Eigentlich echt eklig.«
    »Warum trinkst du ihn dann?«
    »Aus purer Gewohnheit«, erwiderte ich. »Wenn man oft genug Kaffee trinkt, merkt man am Ende nicht mehr, wie schlecht er eigentlich schmeckt.«
    »Kann Mommy jetzt kommen?«
    Behutsam drückte ich seine Schulter. »Sie ist noch nicht wieder da.«
    »Wo ist sie?« Ein paar Sekunden lang schloss er die Augen. »Ich habe schon zweimal geschlafen, seit sie fort ist.«
    »Ich weiß«, sagte ich leise.
    Er kramte sein Spielzeug zusammen. »Ist sie zum Angeln gefahren?«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Na ja.« Stirnrunzelnd musterte er einen Batman ohne Umhang. »Opa geht doch auch manchmal angeln.«
    »Stimmt. Aber Mom geht nicht so gern.«
    »Wo ist sie dann?« Er hielt Batman in der einen, Wolverine in der anderen Hand, auch wenn mir nicht recht klar war, ob ihnen der Kampf des Jahrtausends oder bloß ein bisschen Rambazamba bevorstand.
    »Ich wünschte, ich wüsste es«, sagte ich. »Hör zu, ich muss mit dir reden.«
    Ethan musterte mich arglos, als wollte ich ihm eröffnen, dass wir keine Cheerios mehr hatten und stattdessen Toast essen mussten. Ich fasste ihn an den Handgelenken und sah ihn eindringlich an.
    »Wenn du bei Oma und Opa Fernsehen guckst … Nun ja, es könnte sein, dass du da vielleicht Sachen über deinen Dad hörst, die …«
    »Was für Sachen?«
    »Dass ich gemein zu Mom war.« Wie sollte ich einem Vierjährigen erklären, dass eine Menge Leute glaubten, ich hätte seine Mutter umgebracht?
    »Aber das bist du doch nie«, sagte er.
    »Na ja, wir beide wissen das

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