Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
uns die Sache um die Ohren fliegen, Madeline. Okay, unsere Leser werden bestimmt nicht sofort merken, was los ist, aber über kurz oder lang wird ihnen aufgehen, dass uns völlig egal ist, was in unserer Stadt vor sich geht, dass wir nur noch ein Presseservice sind, ein opportunistisches Käseblatt, das bloß noch dazu da ist, den Bürgermeister beim Treffen mit irgendeiner Pfadfindergruppe ins rechte Licht zu rücken. Klar, wir werden immer noch über Unfälle, Brände und die angesagtesten Halloween-Kostüme berichten, nur sind wir dann keine Journalisten mehr. Und genau das wollten wir doch immer sein, oder?«
    Madeline sah mir in die Augen und lächelte bedauernd. »Alles okay, David? Wie geht’s Jan?«
    Diese Frau war einfach unglaublich. Man griff sie an, stieß sie vor den Kopf, und sie tat so, als würde man übers Wetter reden.
    »Madeline, können wir das Private beiseitelassen?«
    Ihr Lächeln verschwand. »Wo liegt dein Problem, David?«
    »Dasselbe könnte ich dich fragen«, gab ich zurück. »Weißt du noch, wie wir damals bei der Geiselnahme vor Ort waren? Als dieser Typ seine Ex-Frau und sein Kind in seine Gewalt gebracht und damit gedroht hat, beide umzubringen, wenn sich die Polizei nicht zurückzieht?«
    Sie schwieg, doch ich wusste, dass sie sich erinnerte.
    »Und wir haben alles mitbekommen. Wie die Cops das Haus gestürmt und den Burschen halb totgeprügelt haben, obwohl sich herausgestellt hatte, dass er gar keine Waffe besaß. Um ein Haar hätten sie ihn umgebracht. Und als wir anschließend unsere Story geschrieben haben, wussten wir genau, dass wir damit in ein Wespennest stechen würden. Weißt du noch, was das für ein Gefühl war?«
    Für einen Sekundenbruchteil schien sich ein Schleier der Erinnerung über ihren Blick zu legen. »Ja«, erwiderte sie. »Sehr gut sogar.«
    »Und dieses Gefühl will ich auch in Zukunft nicht missen.«
    »Hier geht es nicht um Gefühle, sondern um die Zukunft unserer Zeitung«, gab Madeline zurück. »Du machst dir Sorgen um eine Story, ich hingegen mache mir Sorgen, ob es morgen überhaupt noch eine Zeitung gibt, in der deine Artikel erscheinen können. Na schön, ich sitze nicht mehr in der Redaktion, aber ich stehe immer noch an vorderster Front, David.«
    Darauf fiel mir keine Antwort ein.
    ***
    Kurz nach halb sechs parkte ich vor Bertram’s Heating & Cooling. Leanne Kowalski stand auf dem Parkplatz, als würde sie auf jemanden warten.
    Ich nickte ihr zu, als ich aus dem Accord stieg. »Hey, Leanne, wie geht’s?«, sagte ich, obwohl mir klar war, dass ich mir die Frage ebenso gut hätte sparen können.
    »Auf jeden Fall besser, wenn Lyall endlich aufkreuzt«, gab sie zurück. Leanne gehörte zu jenen Menschen, die nur zwei Gemütslagen zu haben schienen; entweder war sie verstimmt oder genervt. Sie war groß und dürr, hatte schmale Hüften und kleine Brüste; meine Mutter hätte sie wohl als Klappergestell bezeichnet. Ihr schwarzes Haar trug sie kurz, bis auf den widerspenstigen Pony, der ihr ständig in die Augen fiel.
    »Bist du heute ohne Wagen da?«, fragte ich. Ihr alter blauer Ford Explorer war nirgends zu sehen.
    »Lyall hat ihn sich geborgt, weil seine Karre in der Werkstatt ist«, sagte sie. »Keine Ahnung, wo er sich rumtreibt. Ich warte jetzt schon seit einer geschlagenen halben Stunde.« Sie schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Ist das zu fassen?«
    Ich brachte ein halb bedauerndes Lächeln zustande. Ein Schwall kalter Luft schlug mir entgegen, als ich die Tür öffnete und das Gebäude betrat.
    Jan hatte gerade ihren Computer heruntergefahren und schwang sich die Handtasche über die Schulter.
    »Leanne strahlt mal wieder übers ganze Gesicht«, sagte ich.
    »Tja«, sagte Jan. »Immer guter Laune.«
    Durchs Fenster beobachteten wir, wie ein blauer Explorer auf den Parkplatz einbog. Hinter der Windschutzscheibe erkannte ich Lyalls rundes Gesicht und seine Wurstfinger, die das Steuer umklammerten. Auf dem Rücksitz erspähte ich irgendetwas, das ich im ersten Moment nicht genau identifizieren konnte; dann erkannte ich, dass es sich um einen großen Hund handelte.
    Statt zur Beifahrertür zu gehen, marschierte Leanne zur Fahrertür und riss sie auf. Sie schien stocksauer zu sein; jedenfalls fuchtelte sie mit den Händen und schnauzte ihn lauthals an. Wir konnten die Worte nicht genau verstehen, aber so neugierig wir waren, wollten wir es lieber nicht riskieren, hinauszugehen und womöglich zwischen die Fronten zu geraten.
    Lyall

Weitere Kostenlose Bücher