Kein Entkommen
brachte ihn mir.
»Danke.« Ich trank den Becher auf einen Zug aus. »Haben Sie die Fahndung nach dem Kerl rausgegeben?«
»Welchem Kerl?«
»Dem Mann, der vor mir weggerannt ist. Das habe ich Ihnen doch erzählt.«
»Tut mir leid, ich habe nicht gleich geschaltet. Sie haben doch gesagt, er hätte einen Bart, stimmt’s? Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«
»Nein. Ich habe ihn nur für Sekundenbruchteile gesehen.«
»Und Sie glauben, dieser Mann hätte sich Ihren Sohn nebst Buggy geschnappt?«
»Ja.«
»Haben Sie ihn dabei beobachtet?«
»Nein.«
»Und als Sie den Buggy wiedergefunden haben? Stand der Bursche direkt daneben?«
»Nein. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nur gesehen habe, wie er durch die Menge gelaufen ist.«
»Also könnte es genauso gut ein Mann gewesen sein, der es einfach nur eilig hatte«, gab er zurück.
Ich zögerte einen Augenblick, nickte dann aber. »Möglich. Ich hatte bloß so ein Gefühl.«
»Mr Harwood«, sagte Duckworth und hielt einen Moment inne. »David Harwood. Irgendwie kommt mir Ihr Name bekannt vor.«
»Vielleicht haben Sie ihn mal unter einem Zeitungsartikel gesehen. Ich arbeite für den Standard . Aber nicht als Polizeireporter, weshalb ich nicht glaube, dass wir uns schon mal über den Weg gelaufen sind.«
»Ja, klar«, sagte Duckworth. »Wusste ich’s doch. Wir haben den Standard abonniert.«
Plötzlich fiel mir etwas ein. »Wäre es nicht möglich, dass meine Frau schon wieder zu Hause ist? Aus welchem Grund auch immer. Vielleicht hat sie sich ja ein Taxi genommen.«
Ich rechnete beinahe damit, dass Duckworth unvermittelt aufspringen und einen Kollegen instruieren würde, dem nachzugehen. Stattdessen sagte er: »Das haben wir schon überprüft. Aber bei Ihnen zu Hause ist niemand.«
Ich blickte zu Boden und schüttelte den Kopf. »Ich rufe jetzt erst mal bei meinen Eltern an. Vielleicht ist Jan ja dort aufgetaucht.«
Duckworth wartete schweigend ab, während ich mein Handy herauszog.
Es dauerte ein paar Sekunden, dann war meine Mutter am Apparat. »Hallo?«
»Mom, ich bin’s. Ist Jan zufällig bei euch?«
»Was? Nein. Wieso fragst du?«
»Nur, weil … na ja, wir haben uns irgendwie aus den Augen verloren. Ruf mich bitte sofort an, wenn sie auftaucht.«
»Natürlich. Aber was heißt das, ihr habt euch aus den …«
»Ich habe jetzt keine Zeit, Mom. Ich erkläre es dir später.«
Ich klappte das Handy zu und steckte es wieder ein. Duckworth musterte mich mit bedauerndem, wissendem Blick.
»Was ist mit der Familie Ihrer Frau?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie hat keinen Kontakt zu ihrer Familie. Sie ist Einzelkind und hat sich von ihren Eltern abgewandt. Soweit ich weiß, sind ihre Eltern tot.«
»Freunde?«
Erneut schüttelte ich den Kopf. »Keine sehr engen.«
»Kollegen?«
»Bei ihr im Büro arbeitet noch eine andere Frau, Leanne Kowalski. Aber sie stehen sich nicht sehr nah. Leanne und Jan haben nicht dieselbe Wellenlänge.«
»Warum?«
»Leanne hat Haare auf den Zähnen. Na ja, sie kommen miteinander klar, aber sie treffen sich nicht zu irgendwelchen Mädelsabenden oder so.«
Der Detective notierte sich Leannes Namen.
»Ich muss Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen«, sagte er dann, »die Sie womöglich als unsensibel empfinden. Wir kommen trotzdem nicht daran vorbei.«
»Schießen Sie los.«
»Ist Ihre Frau schon einmal verschwunden oder nicht nach Hause gekommen? Hat sie sich in letzter Zeit irgendwie merkwürdig verhalten?«
Ich überlegte wahrscheinlich eine Sekunde zu lang. »Nein.«
Duckworth war mein Zögern nicht entgangen. »Sicher?«, hakte er nach.
»Ja.«
»Entschuldigen Sie die Frage, aber wäre es möglich, dass Ihre Frau eine Affäre hat?«
Ich schüttelte den Kopf. »Niemals.«
»Haben Sie sich in letzter Zeit gestritten? Ist es zu Auseinandersetzungen gekommen?«
»Nein«, erwiderte ich. »Hören Sie, wir sollten Jan suchen, statt hier herumzusitzen und unsere Zeit zu verschwenden.«
»Wir haben bereits die Fahndung nach ihr rausgegeben, Mr Harwood. Haben Sie wirklich kein Foto von ihr dabei? Nicht mal auf Ihrem Handy?«
Ich knipste fast nie Bilder mit dem Handy. »Sobald ich zu Hause bin, suche ich Ihnen ein paar Fotos heraus.«
»Bis dahin haben wir sie wahrscheinlich gefunden«, sagte er beruhigend. »Aber falls nicht, könnten Sie mir die Bilder per Mail schicken?«
»Selbstverständlich.«
»Okay. Und jetzt lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir die Suche effizienter gestalten
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