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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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bin Paul Saunday. Sie wünschen?«
    Der alte Mann, der sich so vorsichtig näherte, als erwarte er den Überfall eines Gerichtsvollziehers, trug einen langen Übergangsmantel, einen gestreiften Anzug und in der Hand einen weichen Hut. Er hatte einen üppigen Schnurrbart und trug eine geblümte Fliege. Offenbar war er gerade im Begriff, die Räumlichkeiten zu verlassen.
    »Ich heiße Frank Franklin«, stellte der junge Mann sich vor. »Ich veröffentliche bei Benchmark …«
    »Ach! Franklin, ja. Dorffmann ist ein alter Freund von mir. Er hat mir von Ihnen erzählt. Sie sind seine letzte Rettung! Was führt Sie in meine Höhle? Haben Sie sich verirrt?«
    »Nein, im Gegenteil.«
    Saundays Interesse war plötzlich geweckt.
    »Ach ja?«
    Doch seine Neugier verflog, sobald Franklin den Namen von Ben O. Boz aussprach.
    »Was wollen Sie denn von dem? Das ist ein fieser Typ, lassen Sie sich das gesagt sein.«
    »Ich studiere seine Bücher und …«
    »Sie studieren seine Bücher? Wozu? Ich habe schon seit sehr langer Zeit nichts mehr mit diesem Kerl zu tun. Wie alle anderen. Es kommt unweigerlich so, er zerstreitet sich mit all seinen Verlegern. Und abgesehen von seinen Romanen, die miserabel sind, ist er auch noch ein Betrüger!«
    Franklin hoffte noch mehr zu erfahren.
    »Ein Betrüger?«, bohrte er nach.
    »Es ist ganz einfach, dieser Mann ist sehr reich. Fragen Sie mich nicht, woher oder warum, das weiß ich nicht. Tatsächlich kauft er die Veröffentlichung seiner Bücher. Er ›finanziert‹ sie, wenn Ihnen das lieber ist. Aber er versteht es immer, die Abschlusszahlung nicht zu leisten! Ich kenne eine Menge Kollegen, die sich deswegen herumgestritten haben.«
    Saunday drückte sich den Hut auf den Kopf zum Zeichen dafür, dass er nun genug hatte.
    »Wissen Sie, wo ich ihn finden kann?«, fragte Franklin trotzdem.
    »Keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob er überhaupt noch schreibt.«
    »Das kann ich Ihnen versichern.«
    »Nun, dann tun mir seine Verleger leid. Pech für sie. Auf Wiedersehen, Mr. Franklin. Erfreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.«
    Und damit löschte Saunday die Lichter und schloss die Tür hinter seinen Büros. Franklin fragte sich, ob die Erwähnung von Boz’ Namen an seiner üblen Laune schuld war oder der katatonische Zustand seines Verlags. Paul Saunday begab sich in Gesellschaft von Frank und vier Unbekannten in den Fahrstuhl. Doch die beiden Männer wechselten kein Wort mehr miteinander.
    Nachdenklich traf sich Frank in einer Kneipe in Soho wieder mit Mary. Sie wartete mit mehreren Freundinnen auf ihn. Als sie Dorffmanns Vertrag entdeckte, sprang sie ihm an den Hals. Er versprach ihr, sie zur Feier des Tages zum Abendessen auszuführen.
    Er bestellte ein Bier. Noch immer in Gedanken versunken nahm er das Geplapper seiner Tischnachbarn kaum wahr. Er führte sein eiskaltes Glas an die Lippen und wurde von einem plötzlichen Glücksgefühl übermannt. Das Geld hatte nichts damit zu tun. Er hatte nur noch einen Wunsch, nämlich dass Ben O. Boz der abscheuliche Mörder war, als den Sheridan ihn präsentiert hatte, dass er die Verdächtigungen des Cops sogar noch übertraf … Ein wahres Monster, das Frank studieren und naturgetreu zu Papier bringen könnte.
    Dieser Ausflug nach New York tat ihm über die Maßen gut. Erst jetzt erkannte er, wie abgeschottet die Welt von Durrisdeer war. Man kam nie heraus, es gab keinerlei Besuche von außerhalb, und die beschränkte Studentenzahl führte dazu, dass alle sich kannten wie in einem Dorf. Frank spürte, wie ungesund diese Abschirmung auf Dauer werden konnte. Schon nach so kurzer Zeit dort offenbarte Durrisdeer seine dunkle Seite …

4
    Während Frank in den rosafarbenen Laken des rosa Zimmers von Marys Freundin schlief, lag der Park von Durrisdeer an diesem Freitagmorgen begraben unter dichtem Nebel wie konturenlos da. Der Wald war verschwunden, das Schloss unsichtbar, die Morgendämmerung brach nur mühsam, diffus und bleich an. Das Gras war weiß mit Frost überzogen, die Vögel schwiegen.
    Plötzlich schwoll auf einem von Bäumen gesäumten Weg unterhalb der langen Rasenfläche, die vom Schloss überragt wurde, ein grollendes Geräusch an. Je mehr es zunahm, umso deutlicher wurde es von rhythmischen Fußtritten auf der schweren und durchnässten Erde begleitet.
    Eine menschliche Welle rollte an.
    Es war 7 Uhr 15 am Morgen. Alle Schüler von Durrisdeer absolvierten ihr tägliches Jogging.
    Der Rhythmus der Läufer war gleichmäßig. Die erste

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