Kein Erbarmen
gelernt.
Lisa hatte bereits den Lieferwagen gewendet und wartete mit laufendem Motor.
»War vielleicht doch nicht die beste Idee gewesen, hierher zu kommen«, sagte sie, während sie das Pförtnerhäuschen passierten und auf die Landstraße einbogen. »Tut mir leid. Du hast Ärger mit Lepcke gehabt, oder?«
»Das könnte man so sagen.«
Lisa blickte fragend zu ihm herüber.
Tabori erzählte kurz, was passiert war. »Ich bin mir sicher, ich hätte noch mehr rausgekriegt«, schloss er seinen Bericht. »Ich hatte die beiden Anwärterinnen so weit, dass ihre Fassade zu bröckeln anfing. Nur fünf Minuten noch, dann … Aber dann kam mir ja ausgerechnet Lepcke dazwischen. Ichweiß nicht, was mit ihm los ist. Er kann mich doch nicht ernsthaft verdächtigen, das ist doch vollkommen schwachsinnig!«
»Vielleicht geht es gar nicht darum, dass er dich wirklich verdächtigen würde. Vielleicht hat es eher damit zu tun … Gib mir auch mal eine Kippe, ja?«
Tabori zog überrascht die Zigaretten aus seiner Tasche. Lisa rauchte nur ganz selten, meistens spät abends, wenn sie auch etwas getrunken hatte. Er zündete eine Zigarette an und hielt sie ihr hin.
»Womit hat es was zu tun, was wolltest du eben sagen?«
»Ich weiß nicht, vielleicht irre ich mich ja. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ihm sowieso alle Felle davonschwimmen. Wenn er wirklich der Typ ist, für den du ihn hältst, dann geht es ihm wahrscheinlich nicht besonders gut in dem Verein, seit du nicht mehr da bist. Er steht alleine einem Apparat von Inkompetenz und Machtgehabe gegenüber, du kennst ja meine Meinung dazu. Und jetzt hat er auch noch einen Fall auf dem Tisch, bei dem er ausgerechnet über seinen alten Kollegen stolpern muss, ein bisschen wie im Film, wenn der einzige Freund des Privatdetektivs ein Bulle ist, der nicht aus seiner Haut kann, weil sie ihn sonst selber drankriegen würden. Du weißt schon, der Privatdetektiv steht unter Verdacht, der Bulle möchte ihm gern glauben, aber es geht nicht nur um die beiden, das ist das Problem. Und dieser Privatdetektiv bist jetzt du und Lepcke ist dein Freund, der Bulle.«
Tabori überlegte einen Moment, bevor er antwortete. »Kann sein, so habe ich das noch nicht gesehen. Aber vielleicht hast du recht. Trotzdem idiotisch! – Was war eigentlich,als Lepcke dich besucht hat?«, fragte er dann. »Du hast immer noch nichts davon erzählt.«
»Weil es nicht viel zu erzählen gibt. Er hat nicht versucht, mich anzumachen, falls du das meinst! – Nein, aber im Ernst, ich fand ihn eigentlich sogar ganz okay. Er wollte vor allem etwas über die Hundeausbildung wissen, weil er glaubte, dass ich da durch die Einsätze etwas mitgekriegt haben müsste – eben wie das intern so abläuft. Aber ich kenne ja auch nur ein paar Gerüchte.«
»Habt ihr über die Vorwürfe in dem Zeitungsartikel gesprochen?«
»Nein, wie denn? Nur über die Sache mit der Tierquälerei, den anderen Artikel habe ich mir ja erst besorgt, nachdem Lepcke da gewesen ist. Weil ich selber wissen wollte, ob es da noch mehr gibt.«
»Was ja jetzt eindeutig zu sein scheint. Jedenfalls nach dem, was ich von den Anwärterinnen gehört habe. Dann wird auch der Rest stimmen, natürlich gab es da sexuellen Missbrauch und ständige Erniedrigungen bis hin zu schlimmsten Folterpraktiken, womit auch das Motiv für die Folterung von Respekt klar wäre. Und der oder die Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt aus der Ausbildungsstätte kommen. – Was ist jetzt eigentlich mit dem Typen, der uns womöglich noch ein bisschen was über Respekt erzählen kann, Hans, richtig?«
Lisa fischte einen Zettel vom Armaturenbrett. »Hans Meier!« Lisa lachte. »Habe ich mir wahrscheinlich nicht gemerkt, gerade weil es so einfach war. Also, es scheint so, als wäre er schon vor zwei oder drei Jahren versetzt worden und ist auch nicht mehr bei der Drogenfahndung. Ein bisschen merkwürdig das Ganze, aber deine beiden Undercover-Freunde habenmir seine Privatadresse rausgesucht. Beachtliches Equipment, das sie da hinten in ihrem Bulli haben, hat keine zehn Minuten gedauert, bis sie ihn gefunden hatten. Ist irgendwo bei Kreiensen. Wenn du willst, fahren wir morgen hin.«
»Ohne vorher anzurufen?«
Lisa nickte. »Ich sag doch, das Equipment in dem Bulli ist gut. Genauso wie diese Ulrike, sie hat sich mal eben in die Mail-Adresse gehackt. Hauptkommissar Hans Meier hat morgen um eins eine Verabredung mit einem Hufschmied, scheint so eine Art Pferdehof zu sein, wo er
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