Kein Erbarmen
es …?«
»Im Moment gehen mir zu viele andere Sachen durch den Kopf, vielleicht warten wir einfach erstmal ab, wie sich das entwickelt. Aber doch, ja, von mir aus ist es in Ordnung. Du weißt, dass Mankells Wallander einen Vater hatte, der im Gartenhaus gemalt hat?«
»Warren malt nicht mehr, ich glaube, das ist ihm ernst«, sagte Lisa, ohne sich auf Taboris Versuch einzulassen, dem Ganzen eine heitere Note zu geben.
»Und was war mit Svenja?«, fragte sie jetzt.
Tabori informierte sie über die Neuigkeiten. »Und sie hält Warren für cool«, sagte er abschließend. »Er hat ihr einen Fünfziger zugesteckt.«
»Na wunderbar, dann wird sie sich ja jetzt öfter sehen lassen.«
»Ich hab noch was anderes, worüber wir kurz sprechen müssen«, setzte Tabori an.
»Wenn es um Markus geht, will ich es nicht wissen.«
Tabori brauchte einen Augenblick, bis er mit dem Vornamen etwas anfangen konnte. Lisa redete von Lepcke. Für Tabori war es ungewohnt, seinen ehemaligen Kollegen als »Markus« einzuordnen. Selbst als Freunde sprachen sie sich ausschließlich mit Nachnamen an, vielleicht hatte es damit zu tun, dass Tabori selber immer vermieden hatte, seinen eigenen Vornamen preiszugeben, und so schließlich auch den Freund auf »Lepcke« reduziert hatte.
»Nein«, sagte Tabori. »Es geht nicht um …« Er zögerte. »Lepcke«, sagte er dann anschließend doch wieder, »jedenfalls nicht direkt, also nicht, was dich und ihn angehen würde, also, ich meine …«
»Bist du dir sicher, dass bei dir alles okay ist?«, unterbrach ihn Lisa irritiert.
»Noch mal von vorne«, sagte Tabori und griff wieder nach seinen Zigaretten. Er berichtete, zu welchem Ergebnis Lepcke und er in ihrem Gespräch gekommen waren. Und bevor Lisa etwas erwidern konnte, rückte er mit der Idee heraus, dass sie vielleicht Kontakt zu den beiden Anwärterinnen aufnehmen könnte.
»Ganz informell«, sagte er. »Wenn es nichts bringt, haben wir Pech gehabt. Aber es ist die beste Möglichkeit, die ich im Moment sehe.«
Lisa weigerte sich rundheraus. Ihre Empörung über Taboris Anliegen wurde erst nachvollziehbar für ihn, als sie abschließendsagte: »Die Sache ist ganz einfach, nur mal angenommen, sie würden mir wirklich irgendwas erzählen, was sie bei der Polizei verschwiegen haben, und weiter angenommen, das würde dann den Verdacht bestärken, dass sie womöglich als Täter in Frage kommen, dann möchte ich nichts damit zu tun haben. Verstehst du das nicht? Respekt war ein ausgemachter Dreckskerl, ein Schwein, ein Perverser, nenn es, wie du willst, und sicher ist, dass er es nicht anders verdient hat. Jemand hat sich an ihm gerächt, aber dafür gab es genug Gründe, und das weißt du auch!«
»Moment«, hakte Tabori ein. »Das heißt doch aber nicht, dass jemand hergehen kann und Selbstjustiz üben! Eine Gesellschaft funktioniert nach klaren Regeln, ich kann nicht einfach das Gesetz in die eigenen Hände nehmen und …«
»Vergiss es«, winkte Lisa ab. »Diese Diskussion haben wir schon oft genug geführt und sie wird nicht besser, indem wir immer die gleichen Standpunkte vertreten.«
Sie schob ihren Stuhl zurück und füllte die Espressokanne nach.
Sie hatte recht, sie hatten sich bereits mehrfach über genau dieses Thema gestritten. Und Lisa vertrat dabei grundsätzlich die Ansicht, dass es hier um eine entscheidende Lücke im Gesetz gehen würde, mit anderen Worten: Wenn die Gesetze oder vielmehr ihre Auslegung nicht ausreichten, um Menschen zu schützen, die hilflos der Willkür anderer ausgeliefert waren, dann müsste damit auch eine Reaktion der Opfer legitimiert sein. Aus diesem für Tabori eher steinzeitlichen »Auge-um-Auge-Denken« leitete Lisa weiterhin die klare Erwartung ab, dass die Exekutive, sprich die Polizei – oder zumindest ihre wenigen »denkenden« Vertreter wie Tabori oder ebenauch Lepcke – durchaus so weit gehen sollte, im entsprechenden Fall jemanden wider besseres Wissen ohne Strafe davonkommen zu lassen.
Der Hintergrund war klar, Lisa hatte noch lange nicht mit dem so völlig sinnlosen Mord an ihrem Bruder abgeschlossen. Wenn sie die Chance gehabt hätte, den Täter aufzuspüren, wollte Tabori nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass sie die Bestrafung dem Justizapparat überlassen hätte.
»Lass mich noch mal mein Hauptargument anführen«, sagte Tabori. »Die beiden Anwärterinnen stehen ohnehin unter Verdacht, genauso wie der Rest der Gruppe, egal was nun mit ihrem Alibi ist. Wenn du nicht mit ihnen
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