Kein Erbarmen
ich«, wandte Tabori ein. »Als wäre es sorgfältig konstruiert …«
»Sie standen unter Druck, wenn es so war, wie wir uns das eben zusammengereimt haben. Nach unserer Theorie haben sie spontan reagiert, da bleibt keine Luft, um sich ein Alibi zurechtzuzimmern. – Also, was soll ich machen? Was sagst du?«
Lepcke griff sich eine Zigarette aus Taboris Schachtel. Nachdem er sie angezündet hatte, hielt er sie zwischen Daumen und Zeigefinger in der hohlen Hand verborgen, als wollte er sie für den Fall, dass jemand ins Zimmer kam, schnell in der Jacketttasche verschwinden lassen können. Er rauchte ein paar Züge und drückte die Zigarette wieder aus.
»Ich muss diese Entführung geklärt kriegen, sonst habe ich in Kürze den nächsten Toten, so viel dürfte sicher sein. Noch lebt Damaschke vielleicht, aber viel Zeit bleibt mir nicht mehr, fürchte ich. Und ich habe zu wenige Leute, die ich dafür einsetzen kann.« Er lachte bitter und schüttelte gleichzeitig den Kopf. »Aber dafür hatte ich gestern erst den Polizeidirektor und dann auch noch den neuen Präsidenten höchstpersönlich am Apparat, die mich beide mehr oder weniger unverhohlen unter Druck setzen, dass ich Ergebnisse bringen soll. Wie denn, ohne Leute? – Übrigens, absolute Nachrichtensperre für den Fall, und bisher hat es erstaunlicherweise auch funktioniert,die Zeitungen halten dicht, irgendwas läuft da auf einer Ebene ganz oben, sonst hätten sie sich längst wie die Aasgeier auf uns gestürzt und uns fertig gemacht.«
»Die beiden Anwärterinnen, mit denen ich geredet habe«, setzte Tabori halblaut an, als wäre er sich selber noch nicht sicher über seinen Gedanken, »die Freundinnen von Anna …«
»Ja?«
»Ich bin überzeugt, dass sie mehr wissen, und ich glaube, es ist möglich, ihren Panzer zu knacken. Wir brauchen nur den richtigen Ansatzpunkt.«
Lepcke reagierte sofort.
»Vergiss es. Ich kann dich nicht noch mal zu ihnen lassen. Jetzt geht es um die Entführung! Du bist erstmal aus der Schusslinie und das ist gut so. Aber mehr ist nicht drin. Wenn das jemand mitkriegen würde, hätte ich ein ernsthaftes Problem – habe ich übrigens so schon«, setzte er noch hinzu. »Verbindlichsten Dank auch, dass ich jetzt mal eben einen von der Spurensicherung nach Dänemark hochschicken darf, um sich den Bunker vorzunehmen.« Lepcke zog sein Moleskin-Notizbuch aus der Tasche und schrieb etwas auf. »Vielleicht kann das Sommerfeld machen, er hat ohnehin nach Urlaub gefragt, da kann er gleich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.«
»Warte mal!«, platzte Tabori raus. »Was soll das? Warum machst du nicht einen Antrag auf Amtshilfe und lässt die Kollegen aus Dänemark das erledigen?«
»Und wie, bitte schön, soll ich das begründen? Dass mein alter Kollege zufällig da oben war und ebenso zufällig über einen Tatort gestolpert ist, während er gleichzeitig noch selber unter Verdacht stand und eigentlich noch nicht mal hättepupsen dürfen, ohne mich um Erlaubnis zu fragen? Nee, du, da halte ich mal schön den Deckel drauf und sammle weiter meine Puzzleteilchen, ohne das an die große Glocke zu hängen. Wie ich das dann hinterher erklärt kriege, wird sich noch früh genug zeigen.«
»Okay, deine Sache«, sagte Tabori. »Aber zurück zu Damaschke, dann lass mich wenigstens einen Vorschlag machen, wegen der beiden Anwärterinnen, meine ich.«
»Ich höre.«
»Lass Lisa mit ihnen reden, so würde ich es jedenfalls machen. Du kannst das allemal damit begründen, dass du jemanden brauchtest, um eine Art Vertrauensverhältnis herzustellen oder so was. Und genau darum geht es: Lisa ist keine Polizistin, aber sie und die Anwärterinnen haben die Hunde als gemeinsamen Nenner. Es ist nur ein Strohhalm, aber vielleicht ist das die Basis, auf der Lisa ein paar Antworten bekommen könnte. Es müsste allerdings einen Anlass geben, dass sie sich treffen, ohne dass die beiden stutzig werden …«
Lepcke blickte hoch.
»Heute Nachmittag ist die Beerdigung von Respekt, großer Auftrieb, sind alle da, bis nach ganz oben, und die Hunde-Abteilung natürlich sowieso. Auf dem Friedhof in Engesohde. Wenn Lisa da auch auftaucht, sollte das niemanden wundern. Schließlich hat sie genug Einsätze für uns gemacht. Keine schlechte Idee, danke.«
»Du hast ohnehin keine Alternative, oder? Also! Aber lass dir besser irgendwas einfallen, warum Lisa das überhaupt machen sollte. Ich bin mir nicht sicher, ob es ihr reicht, dass ihr zusammen im Bett
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