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Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerold , Haenel
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Besseres gehalten, und wer nicht in euer Bild passte, den habt ihr mit Füßen getreten. Für euch musste man möglichst Haare bis zum Arsch haben, Haschpfeifchen rauchen und Bob Dylan hören, sonst war man es gar nicht wert, dass ihr überhaupt mit einem geredet hättet …«
    »Nicht Bob Dylan«, sagte Tabori, »Zappa, ja. Und Hendrix. Oder TonSteineScherben. Aber ganz bestimmt nicht Bob Dylan.«
    Heinisch zeigte ihm einen Vogel und schien für einen Moment aus dem Konzept gebracht. Umso verblüffter war Tabori, als er gleich darauf mit der Faust auf den Tisch schlug und zu brüllen anfing: »Schon wieder! Du machst es schon wieder! Genau das meine ich! Und deshalb konnte man mit euch auch nicht diskutieren, wer nicht eurer Meinung war, den habt ihr einfach abgelehnt! Ihr wart so wasvon intolerant, dass es einem echt die Schuhe ausgezogen hat, ihr …«
    »Warte mal, bevor du dich da jetzt in irgendwas verrennst, du warst doch wohl derjenige, der … Was ist denn jetzt?«
    Eben noch hatte Tabori gedacht, dass Heinisch umso weniger betrunken wirkte, je mehr er sich aufregte, als er unerwartet von seinem Stuhl hochsprang und zur Hecke stürzte, um sich würgend zu übergeben.
    Es dauerte einen Moment, bis er schwer atmend zum Tisch zurückkam. Und wieder hatte Tabori den Eindruck, es mit einer vollkommen anderen Person zu tun zu haben, als Heinisch jetzt eine zerdrückte Zigarettenschachtel aus seiner Jacketttasche fischte und – ohne auch nur mit einem Wort auf das eben Vorgefallene einzugehen – mit der Zigarette zwischen den Lippen darauf wartete, dass Tabori ihm Feuer geben würde. Als Tabori keine Anstalten machte, der unausgesprochenen Aufforderung nachzukommen, beugte er sich über das Windlicht und paffte ein paar Mal, bis die Zigarette rot aufglimmte. Nach dem ersten Zug musste er husten.
    »Ich habe das nie verstanden, wieso ausgerechnet du zur Polizei gegangen bist, mal ganz davon abgesehen, dass sie dich tatsächlich genommen haben!« Er lachte kurz auf, was einen neuen Hustenanfall zur Folge hatte. Dann schnippte er die Zigarette auf die Wiese, aus dem feuchten Gras stieg ein dünner Rauchfaden auf. »Ich hab mir natürlich inzwischen deine Akte kommen lassen. Alle Achtung, das nenn ich doch mal eine Karriere! Wobei das eigentlich Interessante die angehefteten Notizen meines Vorgängers waren, der dich eindeutig lieber heute als morgen wieder losgeworden wäre. Ich fasse malin meinen Worten zusammen: Typischer Einzelgänger, eher teamuntauglich, renitent gegenüber Vorgesetzten, politisch alles andere als sauber, wenn nicht womöglich sogar schon ein Fall für den Staatsschutz, also unter anderem nachweislich Verbindungen zu gesellschaftlichen Randgruppen und Einzelpersonen, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Weiterhin bei den Kollegen extrem unterschiedlich in der Akzeptanz, das reicht von unverhohlener Bewunderung bis hin zu völliger Ablehnung, trotzdem immer wieder erstaunliche Ermittlungserfolge, was es offensichtlich schwer machte, dich auf irgendeinen Verwaltungsposten abzuschieben, wo du keinen weiteren Schaden mehr hättest anrichten können, kurz, eine Person, die dem Image unseres Polizeiapparates ungefähr so wenig entsprach wie der sprichwörtliche Hecht im Karpfenteich, um mal ein abgedroschenes Bild zu bemühen, das aber durchaus gut in die Gegend passt, ich bin nämlich passionierter Hobbyangler inzwischen, weißt du?«
    Tabori war sich sicher, dass Heinisch nur Zeit schinden wollte, gleichzeitig fragte er sich, ob Heinischs Behauptung, frei nach den Notizen des früheren Polizeipräsidenten zu zitieren, nicht völlig aus der Luft gegriffen war – die Einschätzungen mochten zwar in Teilen der Auffassung der vorgesetzten Dienstebene entsprechen, aber es war eher unwahrscheinlich, dass sich da irgendwelche persönlichen Notizen in den Akten befanden. Heinisch wollte auf irgendetwas hinaus, das ganze Geschwätz war nur ein Vorgeplänkel, darauf hätte Tabori plötzlich wetten können. Und dann kam es: »Gut, Alter, wem erzähle ich das, das weißt du alles selber, aber lass mich eins klarstellen: Ich bin froh, dass du hier aufgetaucht bist, ich hatte ohnehin schon überlegt, wie ich an dich rankomme, ohnefür allzu großes Aufsehen zu sorgen, ich brauche dich, wir sitzen im selben Boot, verstehst du?«
    »Was?« Tabori konnte nicht anders, als laut loszulachen. »Sag mal, für wie blöd hältst du mich eigentlich? Was soll das, was glaubst du, könntest du mir hier vorspielen?

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