Kein Erbarmen
Komm, hör auf mit dem Scheiß, ich hab dir vorhin eine Frage gestellt, und ich will jetzt eine Antwort: Beiß nie die Hand, die dich füttert!«
Heinisch hob erneut die Hände, als wollte er seine vollständige Kapitulation signalisieren, dann beugte er sich vor und griff vertraulich nach Taboris Jackenärmel. »Was genau weißt du über den kleinen Geheimclub, wenn ich ihn mal so nennen darf?«
Tabori zog seinen Arm weg.
»Dass ihr da irgendein Spiel spielt, das bereits zwei Menschen das Leben gekostet hat, wahrscheinlich drei.«
»Und wieso ihr?«
»Glaubst du wirklich, dass ausgerechnet ›Haifisch‹ ein guter Codename für dich ist?«
»Okay, zugegeben, aber außer dir weiß das keiner, und dass du deine Nase da reinstecken würdest …«
»… damit konntest du nicht rechnen.«
»Und weiter?«
»Respekt? Damaschke?,« schoss Tabori ins Blaue hinein. »Die Initiationsriten für die Anwärterinnen und Anwärter in der Hundeausbildung? Die Anweisung von ganz oben, weitere Ermittlungen wegen des Todes von Anna Koschinski unverzüglich einzustellen, die, wenn sie nicht direkt von dir kam, ja wohl zumindest über deinen Schreibtisch gegangen sein muss?«
Tabori holte jetzt doch seine Zigaretten aus der Tasche und blies abwartend den Rauch über den Tisch.
Heinisch nahm die Brille ab und drückte die Finger gegen die Nasenwurzel.
»Du machst dich lächerlich«, sagte Tabori. »Hör endlich mit deiner Schmierenkomödie auf. Also los, worum ging es euch? Dass ihr im Geheimen eure Perversionen ausleben konntet? Oder war da noch mehr? Habt ihr …«
»Das glaubst du wirklich?«, unterbrach ihn Heinisch. »Du traust mir allen Ernstes zu, dass ich mit solchen durchgeknallten Typen wie diesem Respekt gemeinsame Sache gemacht hätte, nur um ein paar Anwärterinnen zu vögeln?«
Heinischs Stimme klang aufrichtig empört.
»Vielleicht habt ihr euch ja auch Hitlerbärtchen angeklebt«, kartete Tabori nach. »Oder du standest mehr auf Diensthunde, was weiß ich, vielleicht hast du ja auch nur zugeguckt, aber wenn du mich schon so direkt fragst: Ja, das traue ich dir durchaus zu.«
»Du bist so naiv, dass ich dir dafür am liebsten eine reinhauen würde! Mann, du glaubst wirklich, es geht um mich, ja? Du hast nichts begriffen, absolut gar nichts. Schon klar, du hast deinen Job gemacht, auch wenn es schon lange nicht mehr dein Job ist. Aber du kannst ja nicht klein beigeben, du nicht, du musst dich natürlich auch weiterhin aufspielen! Schon gut, schon gut, sag nichts, lass mich erstmal ausreden, auch wenn es dir schwer fällt. Du bist also irgendwie über diese Namensliste gestolpert, ich schätze mal, auf Facebook oder in irgendeinem anderen Forum …«
Er blickte fragend zu Tabori. Tabori nickte.
»Dachte ich mir, und bei Haifisch hast du eins und einszusammengezählt und damit war die Sache klar für dich. Ist doch schön, dass wenigstens die alten Feindbilder noch funktionieren, vor allem wenn man sonst nichts hat, woran man sich festklammern könnte. Heinisch, der Oberstreber, die alte Fettbacke mit der dicken Brille, die erst die falsche Musik gehört und dann natürlich Jura studiert hat und plötzlich als Polizeipräsident auftaucht. Das passte einfach zu perfekt in dein verkorkstes Bild von einer rechts unterwanderten Gesellschaft, als dass es dir nicht sofort wie Schuppen von den Augen fallen musste. Jetzt würdest du ihn endlich drankriegen, den perversen Sack! So war es doch, oder?«
»Ironie war noch nie dein Ding«, sagte Tabori ruhig, »komm endlich zum Punkt.«
»Mach ich, mach ich sogar gern! – Aber nur noch eine letzte Frage, damit ich dir nicht Unrecht tue. Die anderen Namen auf der Liste, die haben dich dann in deiner selbstgerechten Empörung gar nicht weiter interessiert, richtig? Die konntest du ruhigen Gewissens einfach ignorieren, du hattest ja, was du wolltest …«
»Ich habe die Liste heute Nachmittag zum ersten Mal gesehen«, stellte Tabori richtig und fand selber, dass es eher wie eine lahme Entschuldigung klang. »Aber es ist gerade jemand dabei, die anderen Namen zu checken, da mach dir mal keine Sorgen«, setzte er hinzu und fragte sich immer noch, welche Trumpfkarte Heinisch noch auszuspielen gedachte.
»Lass mich raten, ich würde auf Lepcke tippen, den getreuen Gehilfen, der schon rennt, noch bevor der Meister ihn ruft! Und jetzt, wo dir als Externem die Hände gebunden sind, erweist er sich als umso nützlicher! Natürlich steckt er mit dirunter einer Decke, bildlich
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