Kein Erbarmen
haben Besuch?«
Sie beugte sich über Heinischs Schulter nach vorne, um Tabori zu fixieren. Entweder hat sie selber schon tagsüber mehr als genug getrunken oder sie hat irgendwelche Pillen eingeworfen, dachte Tabori. Ihr Kimono klaffte durch die Bewegung weit auseinander, Tabori hatte freie Sicht auf die schaukelnden Brüste. Im nächsten Moment suchte sein Blickihr Gesicht, aber da war nichts, was eine Erinnerung auslöste, und doch war er sich absolut sicher, dass er das daumennagelgroße Muttermal direkt neben der linken Brustwarze schon mal gesehen hatte, und plötzlich wusste er auch genau wieder, wo und bei welcher Gelegenheit.
»Meine Frau«, sagte Heinisch. »Biggi.« Er nickte zu Tabori hinüber. »Und ein alter Freund, aber ich glaube, ihr kennt euch.«
Tabori erhob sich halb von seinem Stuhl und streckte Heinischs Frau die Hand hin. Biggi, dachte er, der Name wäre mir von alleine nie eingefallen, aber stimmt, sie hieß Biggi.
»Ihr kennt euch, oder?«, wiederholte Heinisch.
»Kann sein«, sagte Biggi, ohne Taboris Hand zu ergreifen.
»Ist lange her«, versuchte Tabori, die Situation zu überspielen.
Biggi machte keine Anstalten, ihren Kimono zu schließen. Als sie sich auf Heinischs Schoß setzte, küsste er ihren Hals und grinste anzüglich.
»Und du denkst, ich mache es mit kleinen Polizeianwärterinnen«, nuschelte er. »Wozu? Ich hab doch alles, was ich brauche, viel bequemer hier im Haus. – Alles, was ich brauche«, wiederholte er. »Und wann immer ich es brauche.«
»Seh ich«, sagte Tabori, nur um überhaupt etwas zu sagen. Die Doppeldeutigkeit seiner Antwort ging ihm erst hinterher auf.
Biggi kicherte und strich Heinisch über die geröteten Wangen.
»Dein Bärchen ist gleich für dich da«, flüsterte Heinisch, »nur zwei Sätze noch zu meinem alten Kumpel.« Er schob seinen Kopf an ihren Brüsten vorbei und beugte sich überden Tisch zu Tabori. Seine Stimme klang atemlos, als hätte er keine Zeit zu verlieren.
»Pass auf, ich sag dir jetzt was. Ich habe nicht umsonst alles dafür getan, diesen Posten zu kriegen. Ich will was verändern, verstehst du? Ich will in diesem Saustall endlich mal aufräumen, und dazu muss ich an die großen Fische ran, sonst bringt das gar nichts! Und glaub mir, wenn ich das schaffe, dann rollen Köpfe, und zwar ganz oben! Aber wenn ich jetzt die Nerven verliere, war alles umsonst. Also halte ich für den Moment mal schön den Deckel auf dem Topf und lasse eben Respekt und seinen kleinen, privaten Horrorladen nicht hochgehen, sonst hätte ich nämlich das bisschen Vertrauen gleich wieder verspielt, das ich mir gerade erst mühsam erworben habe. Ich bin im inneren Kreis, Mann, und ich muss sie in Sicherheit wiegen, sie müssen das Gefühl haben, dass ich ihnen den Rücken freihalte, und nicht, dass ich ihnen vielleicht ans Bein pissen will. Aber meine Stunde kommt, mein Wort darauf!«
»Alles klar, und deshalb lässt du jetzt Studenten-WGs ausheben, das macht natürlich Sinn.« Tabori gab sich keine Mühe, den Sarkasmus in seiner Stimme zu verbergen.
»Aber ja doch, das macht Sinn! Damit richte ich jedenfalls keinen Schaden an und stell mich nicht selber ins Aus, kapierst du das nicht?« Heinisch nahm einen Schluck Whiskey. »Ich weiß, was du sagen willst, aber deine Sympathie für linke Studenten in allen Ehren, es passiert ihnen doch überhaupt nichts! Okay, wir mischen sie mal wieder ein bisschen auf, aber damit tun wir ihnen nur einen Gefallen, weil sie ihr Feindbild zementieren können, also haben sogar beide Seiten was davon. Im Übrigen sollte es selbst dich stutzig machen,wen ich da für die Koordination eingesetzt habe, alte Freunde von dir, wenn ich mich nicht irre.«
Lepckes Verstärkung, dachte Tabori, Carlos und Ulrike, und: Wenn das von Heinisch wirklich geplant war, dann waren die beiden allerdings fast die Garantie dafür, dass die geplanten Aktionen zielsicher im Sand verlaufen würden – es würde schlimmstenfalls Hausdurchsuchungen genau da geben, wo außer ein paar Handzetteln und Plakaten ohnehin nichts zu finden war …
Heinisch blickte ihn abwartend an, fast als würde er auf Beifall warten. Tabori schüttelte den Kopf. Er war fast versucht, Heinisch tatsächlich zu glauben, gleichzeitig wurde er das Gefühl nicht los, nach Strich und Faden verarscht zu werden. Obwohl auch das keinen Sinn ergeben würde. Warum? Um sich selber ins rechte Licht zu rücken, um Tabori zu beweisen, dass er nicht das Dreckschwein war, für das
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