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Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerold , Haenel
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müssen ihn aufspüren. Ich muss Lepcke davon überzeugen, dass alles andere unwichtig ist, im Moment jedenfalls, was wir später damit machen, werden wir sehen.
    Erst als die Kirchenglocken anfingen zu läuten, wurde ihm klar, dass Sonntag war. Lepcke würde also zu Hause sein. Bevor Tabori in den Passat stieg, zog er sich die Lederjacke aus. Es war jetzt schon heiß, sein T-Shirt klebte unter den Armen und roch verschwitzt.
    Tabori startete den Motor. Ganz kurz sah er Warrens Gesicht hinter dem Fenster des Zirkuswagens, als Tabori zum Abschied die Hand hob, kam Warren noch einmal zur Tür: »Wir machen das zusammen, unbedingt! Die Idee wird dir gefallen!«, brüllte er hinter Tabori her und hielt den ausgestreckten Daumen hoch.

24
    Lepcke hatte vor kurzem eine Einliegerwohnung im Dachgeschoss eines umgebauten Bauernhofes gemietet. Der Mietpreis war horrend, obwohl die Wohnung kaum mehr als vierzig Quadratmeter haben konnte, aber Lepcke hatte die angrenzende Dachterrasse zu seiner alleinigen Verfügung und konnte tun und lassen, was ihm gefiel. Die separate Außentreppe befreite ihn von jedem lästigen Kontakt mit den Eigentümern der darunter liegenden und wesentlich größeren Appartements. Tabori war erst einmal da gewesen, die ganze Anlage war ihm zu yuppiemäßig, zu sehr auf schick getrimmt, um wirklich Stil zu haben. Außerdem lag das Haus nicht weit entfernt von der Einflugschneise des Flughafens, auf dem jetzt am Sonntagmorgen bereits im zehnminütigen Abstand schon wieder die Billigflieger nach Mallorca starteten.
    Tabori parkte den Passat auf dem sauber geharkten Kies zwischen einem Porsche mit kaputter Heckleuchte und eingedellter Stoßstange und irgendeinem amerikanischen Zuhälter-Jeep mit geöffnetem Verdeck. Tabori warf die Bananenschale, die im Passat gelegen hatte und die er eigentlich im Müllcontainer neben der Eingangstür entsorgen wollte, im Vorbeigehen auf den Fahrersitz des Jeeps. Er erinnerte sich an eine Geschichte von seinem Zahnarzt, der sein Cabrio im Sommer neben einem Spielplatz geparkt hatte, und als er vom Einkaufen zurückkam, hatten die Kinder mittlerweile den Wagen voller Sand geschippt.
    Lepckes Saab stand gleich neben der Außentreppe, Tabori bemühte sich, möglichst leise aufzutreten, trotzdem hallte jeder Schritt auf der frei schwingenden Eisenkonstruktion vom Mauerwerk zurück. Irgendwo wieherte ein Pferd. Tabori drückte zweimal kurz hintereinander den Klingelknopf an Lepckes Tür und wartete.
    Aus einem geöffneten Fenster auf der gegenüberliegenden Seite des Innenhofs hörte er ein Kleinkind plärren.
    Bei Lepcke rührte sich nichts.
    Tabori klingelte noch mal und realisierte erst jetzt, dass die Klingel abgestellt war. Er wollte aber auch nicht klopfen oder rufen, um die Nachbarn nicht unnötig aufzuschrecken. Er sah sich um, weit und breit war niemand, der ihn beobachtete, er schwang sich über das Geländer und hangelte sich auf dem schmalen Mauervorsprung auf die Dachterrasse hinüber. Er war überzeugt davon, dass Lepcke zu Hause war und nur nicht mit ihm reden wollte.
    Lepcke schien ein neues Hobby für sich entdeckt zu haben, von dem Tabori noch nichts wusste. Einen Teil der Terrasse nahm ein künstlicher Fischteich ein, zwischen üppig wuchernden Wasserpflanzen konnte Tabori träge im Kreis schwimmende Kois ausmachen, jeder von ihnen gut dreißig oder vierzig Zentimeter lang, die Oberseiten blaugrau gesprenkelt, dazwischen flitzten kleinere Goldfische hin und her. Tabori konnte sich nur schwer vorstellen, wie Lepcke allabendlich seine Fische fütterte. Neben dem Becken stand ein hochmoderner Grill, Tabori hoffte für die Fische, dass Lepcke nicht auch zum Hobbyangler geworden war.
    Wie er es sich fast gedacht hatte, stand eine der Terrassentüren offen, um für ein bisschen Luftzug unter dem Dach zusorgen, tagsüber musste die Wohnung auch jetzt im Spätsommer noch mehr oder weniger einem Backofen ähneln.
    Tabori machte einen Schritt in den Wohnraum hinein, der von einer veritablen Sofalandschaft und einem überdimensionalen Flachbildfernseher dominiert wurde, an den Wänden allerdings hingen anstelle der zu erwartenden Kunst nur großformatige Konzertplakate, »Led Zeppelin«, »Metallica«, »Guns ’n Roses« – Lepcke war Hardrock-Fan, der für ein Konzert sogar ohne weiteres am Wochenende nach London oder Kopenhagen flog. Was Tabori noch nie verstanden hatte, er selber hasste jede Art von Großkonzerten, vor allem mochte er keine Menschenmassen, die ihm

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