Kein Fall für Mr. Holmes
fragte: »Und du?«
»Ich?« lautete die verdutzte Antwort ihres Gatten.
»Mit wem sonst sollte ich hier wohl reden?« fuhr sie ihn an.
»Nun, nicht mit mir, soviel ist sicher«, meinte Vi und hielt ein Kichern zurück, das ohnehin nicht gehört worden wäre.
»Warum bist du früher zurückgekommen, Charles?«
»Das ist kein Geheimnis, mein Schatz«, antwortete der Baronet mit einem lässigen Schulterzucken. »Da mein Geschäft mit Lord Harvey früher als erwartet abgeschlossen war, sah ich keinen Grund, meinen Aufenthalt in London hinauszuzögern.« Er schwieg einen Moment lang und betrachtete die Zigarette, die seine Frau unbekümmert in der Hand hielt. »Ich frage mich«, sagte er und biß sich in kontrolliertem Ärger auf die Unterlippe, »ob du vielleicht so nett wärest, das Ding auszumachen? Ich kann mir gut vorstellen, was Mutter gesagt hätte, wenn sie sähe, wie du vor dich hin paffst wie ein Varieteflittchen.«
»Gut so, Sir Charles!« schrie Violet und klatschte geräuschlos in die Hände. »Gib’s ihr!«
Recht unerwartet kam Lady Margaret seiner Bitte nach, indem sie die anstößige Zigarette ausdrückte und sich langsam von ihrem Stuhl erhob.
»Nun, wir müssen uns wirklich keine Gedanken mehr darüber machen, was sie sagen oder was sie nicht sagen würde, nicht wahr?« Es war eine rhetorische Frage, die von einer weiteren gefolgt wurde, die allerdings nach einer Antwort verlangte. »Charles, es gibt da etwas, das ich wissen muß. Sei ehrlich zu mir. Du hattest doch nicht in irgendeiner Weise mit ihrem Tod zu tun, oder?«
»Aha!« rief Vi. »Jetzt geht’s zur Sache!«
»Mit ihrem Tod zu tun! Guter Gott, Margaret! Wovon zum Teufel redest du?«
»Oh, Charles, wirklich! Dir müssen doch die Kratzer an ihrem Hals aufgefallen sein, als wäre sie in eine Art Kampf verwickelt gewesen.«
»Nun, mir sind sie nicht aufgefallen!« rief meine alte Freundin.
»Und dieser ekelhafte Geruch, der über ihrem Bett hing«, fuhr seine Frau fort, »wenn man dann noch daran denkt, was diese Warner da plapperte, von wegen, jemand sei in dem Zimmer gewesen, dann…«
»Plapperte!«
Nun war es an dem Baronet, sich von seinem Stuhl zu erheben. »Oh, ich verstehe. Das ist es! Du glaubst, ich sei für Mutters Ableben verantwortlich, nicht wahr? Und vielleicht habe ich auch diesem armen Mädchen, das dort im Garten herumlief, den Kopf eingeschlagen? Sei doch nicht so dämlich!«
Lady Margaret setzte zum Sprechen an.
»Nein! Laß mich ausreden!« rief ihr Gatte und griff nach dem Jackett, das auf dem Bett lag. »Vielleicht erinnerst du dich gefälligst mal daran: Ich habe dir erzählt, mein Liebling«, fuhr er fort, während er in den Jackentaschen wühlte, wahrscheinlich auf der Suche nach einer Zigarette, »daß ich unten in der Bibliothek war, als ich den Tumult in Mutters Schlafzimmer hörte.«
Da er noch immer keine Zigarette gefunden hatte, warf er das Jackett zurück auf das Bett, ging hinüber zu der Frisierkommode, holte eine aus dem silbernen Etui und zündete sie an.
»Ich gebe ja zu«, fuhr er fort, während zwei dünne Ströme von Rauch aus seinen Nasenlöchern entwichen, »daß ich das Gefühl hatte, ihr Tod sei nicht so friedvoll gewesen, wie es behauptet wurde.«
Lady Margaret setzte sich auf das Bett und ließ ihren Gatten keinen Moment aus den Augen. »Und doch hast du nichts gesagt. Warum?«
»So ungern ich es sage, altes Haus, ich hielt dich irgendwie für verantwortlich.«
»Genau das hab’ ich auch zu Em gesagt!« verkündete meine Freundin triumphierend, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt angesichts ihrer vergeblichen Versuche, zu der Konversation etwas beizutragen, bereits etwas frustriert war.
»Mich?« Ein erstaunter Aufschrei von Lady M. »Warum sollte ich…?«
»Niemand spielt gern die zweite Geige«, unterbrach sie ihr Mann. »Ohne Mutter konntest du endlich deine rechtmäßige Stellung als Lady auf dem Gut einnehmen.« Mit einem wissenden Lächeln fügte er hinzu: »Sich nie mehr jedem ihrer Befehle beugen zu müssen, oder sich sogar für eine Zigarette davonstehlen zu müssen, nicht, Margaret? Die Sache ist«, fuhr er fort, »ich hatte den Verdacht, daß es meine ›zukünftige Lady‹ einfach satt hatte, auf die Zukunft zu warten. Wie mußt du es gehaßt haben, daß sie so über dich herrschen konnte.«
Seine Frau sprang auf, ihre Augen blitzten. »Ich gebe zu, daß Ihre Ladyschaft und ich uns nie sehr nahe standen! Aber wozu hätte ich…«
Das Wort Mord blieb
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