Kein Fleisch macht gluecklich
unterversorgten Vögel reagieren stärker auf die Farbe Rot und picken dadurch häufiger auf blutige Stellen oder die manchmal ausgestülpten Kloaken (Unterleibsausgänge) der anderen Tiere. Aufgrund dieses Federpickens und Kannibalismus kommt es bei Biohennen verstärkt zu Verletzungen, zumal bei Biohühnern die Schnäbel nicht systematisch kupiert werden dürfen.
Des Deutschen Appetit auf sein Frühstücksei ist groß, viele Eier werden zudem mehr oder weniger unerkannt in Torten und Kuchen, Salatsoßen und Eiernudeln konsumiert. 2010 kam man hierzulande so auf 214 Eier pro Kopf. Nur die Hälfte der Eier stammte aus Deutschland, über 10 Milliarden kamen aus dem Ausland. So liefert der Blick auf die Haltungsbedingungen in der EU ein genaueres Bild von den in Deutschland verspeisten Eiern als die deutschen Zahlen alleine. Folgende Angaben zur EU-weiten Hennenhaltung 2010 habe ich von der Europäischen Kommission erhalten: 3 Prozent der EU-Hennen wurden ökologisch gehalten (in Deutschland etwa 6 Prozent), haben also vom Gesetz her Zugang ins Freie. Weitere 11 Prozent waren in Deutschland wie in der EU konventionelle Freilandhennen. Jeweils etwa 20 Prozent lebten in Bodenhaltung (in Deutschland 66 Prozent) sowie in »ausgestalteten Käfigen« (in Deutschland 17 Prozent). Diese Käfige bieten nur geringfügig mehr Platz als die alten Legebatterien. In Deutschland müssen sie ein wenig größer sein, die Haltung heißt hier »Kleingruppenhaltung« und ist der Nachfolger der Käfigbatterie. 2002 hatte die damalige deutsche Landwirtschaftsministerin Renate Künast zwar ein vollständiges Verbot der Legebatterien durchgesetzt, dieses wurde jedoch 2006 nach dem Regierungswechsel kurz vor Inkrafttreten zurückgenommen, und man erlaubte die – lediglich romantisch klingende – Kleingruppenhaltung, die noch immer eine Form der Käfighaltung ist. Die alten Batteriekäfige sind in Deutschland seit 2010 endgültig verboten. In der gesamten EU gilt ein Verbot für die alten Batteriekäfige seit 2012. 2010 lebten in der EU aber immerhin noch 45 Prozent der Legehennen in den »guten alten« Legebatterien. Das fristgerechte Ende dieser Haltungsform zum Jahreswechsel 2011/2012 wurde nicht in allen EU-Ländern eingehalten. Nach Angaben von foodwatch e. V. lebten im Frühjahr 2012 in der EU schätzungsweise noch 50 bis 100 Millionen Hühner verbotenerweise in den alten Käfigen. Es verwundert mich, dass noch immer so viele Käfigeier erzeugt werden (die mit der 3 auf dem Ei), zu denen ja auch die aus der Kleingruppenhaltung gehören. Selbst Discounter bieten inzwischen keine Schaleneier aus Käfighaltung mehr an. Professor Hörning klärt mich auf: »Etwa die Hälfte der Eier in Deutschland wird für die verarbeitende Industrie erzeugt, und dort interessiert nur der Preis – die Käfigeier sind billiger.« Da ich über einer Bäckerei wohne, sehe ich bisweilen, dass dort große Mengen an Tetrapaks mit Vollei für die Backwaren angeliefert werden. Ich möchte lieber nicht wissen, aus welcher Haltung die Eier stammen.
Hat sich die Situation der Legehennen in Deutschland mit der Umstellung von der bisherigen Käfighaltung auf die Kleingruppenhaltung wenigstens ein bisschen verbessert? Was Hörning erzählt, ernüchtert: »Die Kleingruppenhaltung in Deutschland ist ja nichts anderes als ein ausgestalteter Käfig mit Nest, Sitzstange und Scharrvorrichtungen. Da ist nur minimal mehr Platz, vielleicht ein Bierdeckel mehr pro Huhn und 5 Zentimeter mehr Höhe.« Ich bin entsetzt, als ich Bilder aus der Kleingruppenhaltung sehe. Die Ähnlichkeit zur Käfigbatterie ist erschreckend. Der »Scharrbereich« ist eine perforierte grüne Fußmatte. Die Sitzstangen sind aus Metall und laufen in nur geringer Höhe durch den Käfig. Sie bieten nicht genug Platz dafür, dass alle Insassen gleichzeitig darauf sitzen können. Das vorgeschriebene Einstreubad könne technisch nicht umgesetzt werden, sagt Hörning. »Man kann gar nicht solche Einstreumengen in die Käfige bringen, dass man von einer dauerhaft vorhandenen Einstreuschicht sprechen könnte. Somit können die Tiere auch nicht das für die Körperpflege so wichtige regelmäßige Sandbaden durchführen. Insofern ist die Kleingruppenhaltung nur wenig besser und aus Tierschutzgründen abzulehnen.« Die Aufnahmen aus der Kleingruppenhaltung mit dem ganzen Dreck wecken in mir Assoziationen an Ratten, die im Heizungskeller hausen. Man muss es sich wirklich einmal vor Augen halten: Da werden
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