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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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vom vorigen und vorvorigen Abend zeigten nichts Aufregendes, lediglich Gäste und Personal.
    »Und jetzt?« sagte Yü, als sie fertig waren.
    »Es fehlt noch drittens.« Matzbach sah den Chinesen eindringlich an. »Fällt mir aber erst jetzt ein.«
    »Wieso drittens?«
    »Du wolltest mir von Dany berichten und den Kontoauszug zeigen. Hast du getan. Dann sind wir, wegen des blöden Auszugs, auf andere Themen geschweift. Geschwiffen.«
    »Schwiffen wir, o Matzbaum der Tugend? Ich weiß von keinem ›drittens‹ «.
    »O aber ja doch. Du wolltest mir zweifellos auch noch erzählen, wieso du, als du dich dem Bötchen nähertest, mal wieder deinen Panthergang eingeschaltet hattest.«
    »Hatte ich das?« Yü machte ein verwundertes Gesicht und tat, als müsse er grübeln. »Hm. Nun ja, da du es sagst, wird es wohl so sein. Es könnte etwas damit zu tun haben, daß ich in der Stadt das unbehagliche Gefühl hatte, beschattet zu werden. Aber Gefühle können täuschen.«
    »Deine auch?« Matzbach schüttelte den Kopf. »Erzähl mir keine Märchen. Aber richtig gesehen hast du keinen, oder?«
    Yü zögerte. Dann schob er noch einmal das Video vom Vorabend ein, ließ es vorlaufen, suchte, beschleunigte, fand.
    »Der da«, sagte er. Er wies auf einen der drei Mitesser Erlers. »Einer ist tot, ja? Also einer der beiden anderen. Der da, in der Mitte, der war mindestens eine Viertelstunde lang unauffällig in meiner Nähe. Nicht im Anzug wie gestern – Jeans, Fetzenpullover, Baseballkappe, Turnschuhe. Aber er war’s. Und noch was. Siehst du den Gesichtsausdruck?«
    Er hielt das Bild an. Rüdiger Erler blickte irgendwo unterhalb der Kamera hin, schaute dort vermutlich jemanden an. Und zwinkerte. Ein schnelles böses Zwinkern, kein scherzhaftes Blinzeln.
    »Wer hat denn da gestanden, wo er hinkuckt?« sagte Matzbach.
    Yü hob die Schultern, blickte zur Kamera über dem Tresen hinauf, blickte zum Tisch, an dem Erler gesessen hatte, bewegte sich seitlich. »Hier etwa?«
    Matzbach nickte. »Da etwa. Scheiße.«

6. Kapitel
    Die fundamentalen Existenzialien, die das Sein des Da, die Erschlossenheit des In-der-Welt-seins konstituieren, sind Befindlichkeit und Verstehen ... Sofern die Befindlichkeit mit Verstehen gleichursprünglich ist, hält sie sich in einem gewissen Verständnis.
    M ARTIN H EIDEGGER
    Mit zwei Plastiktüten in der rechten Hand und zwei Videos unterm linken Arm verließ Matzbach die
Spelunke
. Er stieg in den Rover, fuhr zum Polizeipräsidium und händigte Freiberg die Bänder aus, was, wie er fand, die gute Staatsbürgertat für mindestens eine halbe Woche war. Danach stieg er in der Garage Kölnstraße von Rover auf Citroën um, holte aus seiner Wohnung eine große Hebammen- bzw. Doc- bzw. Gladstone-Tasche und überquerte die Rheingrenze nach Beuel.
    Im Neubaugebiet zwischen Beuel und Schwarz-Rheindorf traf er Tobias Neumann vor dem Haus des weiland Philosophieprofessors Carlo N. Der Monteur schloß die Tür auf und ging voran; dabei sagte er:
    »Noch mal zum Mitschreiben. Carlo hatte ein schwaches Herz.«
    »Ach so«, sagte Matzbach. »Ich hab mich immer gefragt, weshalb er nie geheiratet hat.«
    »Ha, ha. Und seit ein paar Jahren einen Schrittmacher. Der ärztliche Befund lautet Tod durch Herzversagen. Aber, wie gesagt, ein paar Dinge gefallen mir nicht.«
    Im großen Arbeitszimmer des Toten gab es dunkle Regale voller Lederbände, vor dem Fenster eine Terrasse, zu der eine Glastür führte, Stores an den Fenstern, einen Schreibtisch aus Eibe fast in der Mitte des Raums, überladen mit Papieren, davor einen batteriebetriebenen Rollstuhl, ein seltsames dreiachsiges Modell mit den üblichen kleinen, beweglichen Fronträdern, großen Mittelrädern für Handbedienung und kleineren Heckrädern, die wohl vor allem den schweren Batterieteil zu tragen hatten. Baltasar dachte an Herodots Geschichte von den Fettsteißschafen, denen man, damit sie sich überhaupt bewegen konnten, Rollbrettchen unter den Schwanz band.
    »Seit dem Unfall vor Jahren war er ja fast gelähmt«, sagte Neumann. »Hatte aber kräftige Arme, konnte sich allein an- und ausziehen, hat nie Hilfe gebraucht. Also, vor zwei Wochen, Freitag abend, hat die Haushälterin alles fürs Wochenende vorbereitet und ist gegangen, bis Montag. Da hat er im Rollstuhl gesessen, hier, am Schreibtisch. Als sie am Montag früh wiederkam, saß er immer noch oder schon wieder da und war tot. Der Arzt sagt, er wär irgendwann am Samstagnachmittag oder frühen Abend

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