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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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retardiert.‹ – Ich sehe eine gewisse Ähnlichkeit«, sagte er zögernd. »Aber ich verstehe nichts. Was ist das hier?«
    »Das Original.«
    »Und das, was du eben gelesen hast? Was Onkel Carlo geschrieben hat? Eine Zusammenfassung, oder was?«
    Matzbach blinzelte. »Könnte man fast sagen. Oder nicht? Nein, eigentlich nicht. Es ist keine Zusammenfassung, es ist mehr. Und schlimmer, je nachdem, wie man es nimmt. Es ist so etwas wie eine Übersetzung von Heidegger ins Deutsche.«
    Neumann ließ den Bogen sinken und starrte Matzbach an. »Übersetzung? Ins Deutsche? Was hat Heidegger denn geschrieben?«
    »Tja tja tja. Das ist es ja. Nach Meinung deines ehrwürdigen Onkels – nett formuliert in den Vorlesungsentwürfen – war Heidegger unfähig, sich der deutschen Sprache angemessen zu bedienen. Nicht als einziger, übrigens. Es gibt da in den Vorlesungsentwürfen ein paar hübsche Passagen über Hegel und Kant, bleistiftsweise. Kant, schreibt Carlo, hat auf Latein gedacht, wie die meisten Wissenschaftler seiner Zeit, und als er es dann aufschreiben wollte, war er nicht imstande, es richtig aufs Papier zu bringen. Er hat gewissermaßen im Kopf aus dem Latein ins Deutsche übersetzt und dabei den lateinischen Satzbau und lateinische Redewendungen übernommen. Das macht den Text im Deutschen sehr sperrig. Wenn man, schreibt Carlo, etwa eine gute englische Übersetzung der
Kritik der reinen Vernunft
nimmt, bei der dieser ganze lateinische Krimskrams anständig wegübersetzt wurde, kann man Kant beinahe wie Prosa lesen.«
    »Aha.« Neumann runzelte die Stirn. »Wahnsinnig aufregend. Und was hat das mit Heidegger zu tun?«
    »Heidegger hat, Carlo zufolge, überhaupt kein Deutsch gekonnt und sich deswegen mit Gedanken herumgeschlagen, die, anständig formuliert, des Formulierens kaum wert sind, die er aber für weltbewegend gehalten hat, weil sie in seinen Formulierungen so unzugänglich waren, daß sie allein
wegen
ihrer schieren Unverständlichkeit bedeutend sein mußten. Das ist wie mit des Kaisers neuen Kleidern – nichts zu sehen, aber alle sagen ›toll‹, damit man sie nicht für die Trottel hält, die sie sind.« Matzbach kicherte plötzlich. »Ich glaube, diese Formel stammt von meinem alten Lateinlehrer, der irgendwann, als jemand einen lateinischen Satz völlig unverständlich übersetzt hatte, mit Heidegger ankam. ›Das, was Sie da gerade verbrochen haben, Dingsbums, könnte von Heidegger sein. Der sagt solche Dinge wie ›Die partielle Negation im dermato-bovinen Fundament der Mobilitätsaccessoires, nein, Mobilitätsakzessorien des noch nicht der Mäeutik gewärtigen Gefäßes der Filial-Emanation des Absoluten Seins‹.«
    »Häh?«
    »Genau, häh. ›Womit‹, sagte mein Lateinlehrer weiterhin, ›Heidegger nichts anderes hat sagen wollen als ›Das Loch in der rindsledernen Schuhsohle der schwangeren Muttergottes‹. Und dann fügte er mit einem bissigen Lächeln hinzu: ›Wer von Ihnen, meine Herren, etwa meint, in dieser Form Sallust übersetzen zu dürfen, der kriegt von mir die Sechs, die Heidegger in Deutsch verdient hätte‹. Den Vorlesungsnotizen zufolge ist auch dein verblichener Onkel ziemlich genau dieser Meinung gewesen. Und um nachzuweisen, daß diese Sperrigkeit nicht etwa hochgeistig und wertvoll und weiß der Geier was noch ist, sondern einfach Impotenz, sprachliche und gedankliche Impotenz, hat dein nie ausreichend zu preisender Onkel begonnen, Heidegger ins Deutsche zu übersetzen. Damit man sieht, daß hinter dem Stacheldraht der Wörter nichts steckt als verblasener Kokolores.«
    Neumann hob die Schultern. »Na und? Interessiert das irgendwen?«
    »Nur die Fachleute, aber die sehr.« Matzbach kniff die Augen zu Schlitzen. »Sagen wir mal ... Nee, andersrum. Wenn du morgen etwas gegen Karies entdeckst, sind übermorgen alle Zahnärzte pleite, klar?«
    Neumann nickte; er schaute nun schon viel interessierter drein.
    »Die Profs haben fast alle irgendein Spezialgebiet. Nun stell dir mal vor, du wärst Philosophieprofessor und berühmt für deine bedeutenden Heidegger-Kenntnisse. Und dann kommt ein Carlo Neumann und weist nach, daß das alles Unfug ist.«
    Tobias grinste plötzlich. »Klar. Dann bin ich in den Arsch gekniffen. Der gute Carlo macht mich lächerlich, weil ich den Unfug so lange ernstgenommen hab, ja?«
    »Und damit ruiniert er deinen Ruf. Du bist dann zwar nicht pleite, weil du ja Beamter auf Lebenszeit bist, aber die Kollegen werden kichern, wenn sie dich sehen, und du

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