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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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die Fremde zieht, wie soll man das sonst nennen? Kühnheit? Glück?«
    Yü steckte das Messer wieder ein, kurbelte das Fenster herunter, bereicherte den östlichen Kölner Autobahnring um einen gebrauchten Q-Tip und schloß das Fenster wieder. »Glück?« sagte er. »Kühnheit? Meng-tse sagt: Der Skrupellose wird Herrscher, der Kühne Wegelagerer, der Weise Schäfer, der Glückliche heiratet günstig. Zu Notfällen fällt ihm nichts ein.«
    »Danke für die Stichworte. Auerberg, der Glückliche, hat kurz nach dem Vorfall mit dem Mädchen damals günstig geheiratet. Die Knete« – er wies mit dem Daumen auf zwei Plastiktüten, die auf der Rückbank lagen – »hat er von seiner Frau. Altes Geld, Industrie schätzungsweise. Jetzt ist er, skrupellos wie alle Politiker, auf dem Weg, sich einen Anteil am Herrschen zu sichern. Der andere Knabe, Dengler, will diesen Anteil haben.«
    »Was ist das für einer, der ehrenwerte Erpresser?«
    »PG, Sozi; außerdem Jurist, wie alle guten Kriminellen. Gute Ausbildung; hat sogar mal kurz in den USA studiert. Bevor die SPD auf Antiwestkurs ging.«
    Yü blickte ihn von der Seite an. »Du klingst – wollüstig?«
    Matzbach nickte; er versuchte, ein strahlendes Lächeln aufzusetzen. »Ich bin, wie du wissen solltest, ein Anhänger des pragmatischen Handelns.«
    »Ahaua.«
    »Und seit Helmut Schmidt abgetreten wurde, habe ich nur noch die Wahl zwischen einem Lager, in dem ausgesessen, reagiert und Macht ungenutzt ausgekostet wird, und einem anderen, in dem weltfremde Trottel hechelnden Aktionismus betreiben, in einem Schleier aus Ideologie und Illusion.«
    »Mann, kannst du schon was Schwieriges, so früh am Tag!«
    »Und ob. Ich hatte also, wie du siehst, schon länger keine Wahl mehr, was mir viel Grübeln und Kreuzchenmachen erspart hat. Daher die Wollust.«
    Yü lehnte sich bequem zurück und faltete die Hände im Schoß. »Na ja, so weltfremd sind die aber nicht, oder? Jedenfalls die beiden, um die es hier geht.«
    »Ich habe von dem Gesellschaftsspiel namens Politik geredet, nicht von Techniken, persönliche Macht und Vorteile zu erringen, o glückbehafteter Yü. Was das angeht, sind sie alle, um bei deinem Meng-tse zu bleiben, Wegelagerer auf dem Weg zum Herrscher.«
    »Und was genau hast du vor, wenn wir erst einmal bei den Eingeborenen angekommen sind?«
    Matzbach klopfte auf die linke Brust, unter der Jacke knirschte etwas. »Der alte Journalist in Paderborn hat ein gutes Gedächtnis. Und ein reiches Papierarchiv.«
    »Wieso erinnert der sich nach – was? dreiundzwanzig Jahren? – noch so gut?«
    Matzbach nickte. »Anno einundsiebzig, genau. Tja, wieso erinnert er sich? Er hat sein Leben lang Lokales und Regionales gemacht, mit einem feinen Hang zu Zynismen. Und in dieser entlegenen Weltgegend, wo das Auftauchen eines überlebenden Sauriers keinen überraschen würde, wo man ja sogar Armin dem Cherusker Denkmäler weiht, hat es in seiner Zeit nicht so viele formlose Todesfälle gegeben. Deshalb. Besondere Vorkommnisse prägen sich ein, wie Konfuzius bestimmt auch irgendwo gesagt hat.«
    »Für den bin ich zuständig«, murrte Yü. »Und? Ist bei den Papieren irgendwas Wesentliches?«
    »Wie man’s nimmt. Also, der Alte hat mir ein paar Namen von Leuten genannt, die bestimmte Sorten Dreck am Stecken haben, darunter auch der spezielle Parteifreund Dengler. Alles nicht zu beweisen, aber vielleicht muß man es gar nicht beweisen. Dann hat er mir geholfen, einen Auswanderer aus dem Kaff zu erfinden, mit dem Namen einer ausgestorbenen Sippe. Und er hat mir Lokale genannt und den Weg zu einem Bauernhof beschrieben, wo eine alte Frau lebt, die damals was gesehen hat, als das Mädchen angeblich ins Wasser gegangen ist.«
    »Wenn ich die bisherigen Aussagen Eurer werten Person nicht vergessen oder verwirrt habe, war die junge Dame schwanger, ja?«
    »Gründlich. In der Zeitung stand damals übrigens nur, daß sie schwanger war; nicht, wie sehr. Das hat der gute Reporter später vom zuständigen Pathologen gehört; da war der Fall aber schon nicht mehr interessant.«
    »Wie schwanger war sie denn?«
    »Achtzehnte oder neunzehnte Woche. Konnte man damals wohl nicht so genau sagen, oder das Kind war schräg entwickelt.«
    »Schräg? Na ja. Und damit erpreßt Dengler deinen Auerberg?«
    »Nee, nur zusätzlich. Es geht um Mißhandlung von Untergebenen bei der Bundeswehr. Auerberg ist heute strammer Pazifist, gegen Bundeswehr-Einsätze wo immer, grundsätzlich gegen die NATO, derlei. Das

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