Kein Friede den Toten
Gebäude, in dem Eva wohnte. Pastorin Jills Wagen stand davor, ein Mercedes 560 mit allen Extras. Einer ihrer Söhne stand mit verschränkten Armen und finsterer Miene Wache. Wieder ließ Matt den Blick schweifen. Sämtliche Nachbarn waren auf den Beinen. Ein vielleicht zweijähriges Kind saß auf einem alten Rasenmäher. Seine Mutter benutzte ihn als Kinderwagen. Sie wirkte ausgelaugt und führte Selbstgespräche. Die Leute starrten Matt an – Weiße waren hier zwar nicht unbekannt, aber doch eine Rarität.
Als er sich näherte, starrte Pastorin Jills Sohn ihm finster
entgegen. Wie in einem Western wurde es still in der Straße. Die Leute warteten auf den Showdown.
Matt sagte: »Wie geht’s denn so?«
Die Brüder hätten als Zwillinge durchgehen können. Einer starrte ihn weiter an. Der andere lud Evas Habseligkeiten in den Kofferraum. Matt blinzelte nicht. Er ging lächelnd weiter.
»Ich würde es begrüßen, wenn Sie sofort damit aufhören könnten.«
Der Mann mit den verschränkten, baumstammdicken Armen sagte: »Wer sind Sie?«
Pastorin Jill kam aus dem Haus. Als sie Matt sah, verfinsterte sich auch ihr Blick.
»Sie können sie nicht rauswerfen«, sagte Matt.
Pastorin Jill musterte ihn von oben herab. »Mir gehört dieses Haus.«
»Nein, es gehört dem Staat. Sie behaupten, es ist ein karitatives Wohnprojekt für Jugendliche.«
»Eva hat die Regeln missachtet.«
»Was für Regeln?«
»Dies ist eine religiöse Einrichtung. Wir folgen einem strikten Moralkodex. Eva hat ihn verletzt.«
»Inwiefern?«
Pastorin Jill lächelte. »Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht. Darf ich Ihren Namen erfahren?«
Die Söhne schauten einander an. Der eine stellte Evas Sachen ab. Sie wandten sich Matt zu.
Matt deutete auf Pastorin Jills Mercedes. »Toller Wagen.«
Die Brüder runzelten die Stirn und schlenderten auf ihn zu. Einer lockerte sich im Gehen den Nacken. Der andere öffnete und schloss die Fäuste. Matt hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Seltsamerweise hatte der Tod Stephen McGraths – der Ausrutscher – nicht dazu geführt, dass er Angst vor Gewalt hatte. Das wäre vielleicht passiert, wenn er in jener
Nacht aggressiver gewesen wäre, und nicht … doch das war jetzt egal. Er hatte eine wertvolle Lektion über körperliche Auseinandersetzungen gelernt: Man kann das Ergebnis nicht vorhersagen. Natürlich gewinnt meist der, der den ersten Treffer landet. Auch geht der größere und schwerere Kontrahent häufig als Sieger hervor. Aber sobald ein Kampf begonnen hatte, sobald die Kombattanten in Rage geraten waren, konnte alles passieren.
Der Nackenlockerer fragte noch einmal: »Wer sind Sie?«
Matt wollte es nicht darauf ankommen lassen. Er seufzte und zückte sein Fotohandy. »Ich bin Bob Smiley, von Channel Nine News.«
Sie blieben stehen.
Er richtete die Kamera auf sie und tat, als würde er sie einschalten. »Wenn Sie nichts dagegen haben, filme ich, was Sie hier tun. Unser Übertragungswagen mit der richtigen Ausrüstung müsste in drei, vier Minuten hier sein.«
Die Brüder sahen ihre Mutter fragend an. Auf Pastorin Jills Gesicht breitete sich ein glückseliges, wenn auch verlogenes Lächeln aus.
»Wir helfen Eva beim Umzug«, sagte sie. »In ein besseres Haus.«
»Mhm.«
»Aber wenn sie lieber hier bleiben möchte …«
»Sie möchte lieber hier bleiben«, sagte Matt.
»Milo, bring ihre Sachen wieder zurück in die Wohnung.«
Milo, der Nackenlockerer, glotzte Matt aus weit aufgerissenen Augen an. Matt hob den Fotoapparat. »Bleiben Sie so, Milo.« Milo und Fingerlockerer begannen, die Sachen wieder aus dem Wagen zu räumen. Pastorin Jill eilte zu ihrem Mercedes und wartete im Fond. Eva sah Matt von oben aus dem Fenster an und formte ein »Danke« mit den Lippen. Matt nickte ihr zu und wandte sich ab.
In diesem Moment, als er sich umdrehte und eigentlich nichts näher betrachtete, sah er den grauen Ford Taurus.
Der Wagen stand gut dreißig Meter hinter ihm mit laufendem Motor. Matt erstarrte. Ein grauer Ford Taurus war keine Seltenheit, vielleicht der meistverkaufte Wagen im ganzen Land. Es war wirklich nicht ungewöhnlich, zwei davon an einem Tag zu sehen. Wahrscheinlich gab es noch mindestens einen weiteren Ford Taurus in diesem Wohnblock. Vielleicht sogar zwei oder drei. Und es hätte Matt auch nicht überrascht, wenn noch ein weiterer grauer darunter gewesen wäre.
Aber würde das Kennzeichen mit MLH anfangen, was seinen Initialen MKH so ähnelte?
Er
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