Kein Friede den Toten
sich zum Kühlschrank um. »Dieser
Mann …«, sie deutete auf ein Foto und sah Marsha Hunter an, »… das ist Matt Hunter, stimmt’s?«
Marshas Gesicht verschloss sich.
»Mrs Hunter?«
»Was wollen Sie hier?«
Der Anflug von Herzlichkeit, der gerade noch auf ihrem Gesicht gelegen hatte, war verschwunden.
»Wir kennen uns«, sagte Loren. »Ist aber schon lange her.«
Nichts.
»Von der Grundschule. Wir waren beide auf der Burnet Hill.«
Marsha verschränkte die Arme. Sie wollte nichts davon wissen.
»In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehen Sie zu ihm?«
»Er ist mein Schwager«, sagte Marsha. »Und ein guter Mensch.«
Klar, sowieso, dachte Loren. Ein echter Schatz. Sie hatte von der Verurteilung wegen Totschlags gelesen. Matt Hunter hatte in einem Hochsicherheitsgefängnis gesessen. Das war kein Zuckerschlecken. Ihr fielen die zusammengelegte Decke und das Laken auf der Couch wieder ein.
»Kommt Matt oft zu Besuch? Schließlich ist er der Onkel der Jungs.«
»Inspector Muse?«
»Ja.«
»Ich möchte, dass Sie jetzt gehen.«
»Wieso?«
»Matt Hunter ist kein Verbrecher. Das war ein Unfall damals. Und er hat wirklich teuer dafür bezahlt.«
Loren schwieg und hoffte, Marsha würde weitersprechen, was aber nicht geschah. Nach kurzem Nachdenken kam sie zu dem Schluss, dass es vermutlich nichts brachte, weiter in diese
Richtung arbeiten. Vielleicht sollte sie es mit etwas mehr Zurückhaltung probieren.
»Ich hab ihn gemocht«, sagte Loren.
»Wie bitte?«
»Als Kind. Er war nett.«
Das stimmte. Matt Hunter war ein ziemlich netter Kerl gewesen. Auch er hatte kämpfen müssen, um sich dem Leben in Livingston anzupassen, und auch er hätte es vielleicht etwas ruhiger angehen lassen sollen.
»Ich geh dann jetzt«, sagte Loren.
»Danke.«
»Wenn Sie irgendetwas über den Anruf am 2. Juni rausfinden …«
»Dann sag ich Ihnen Bescheid.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich auf dem Weg nach draußen noch mit der Babysitterin unterhalte?«
Marsha zuckte seufzend die Achseln.
»Danke.« Loren drehte den Türknauf.
»Kann ich Sie noch was fragen?«, warf Marsha ein.
Loren sah sie an.
»Ist diese Nonne ermordet worden?«
»Wie kommen Sie darauf?«
Wieder zuckte Marsha die Achseln. »Ergibt sich doch von selbst. Warum sollten Sie sonst hier sein?«
»Über Einzelheiten darf ich nicht mit Ihnen reden. Tut mir Leid.«
Marsha antwortete nichts. Loren machte die Tür auf und trat in den Garten. Die Sonne stand noch hoch am Himmel. Es waren die langen Junitage. Die Jungs rannten und spielten mit wunderbarer Hemmungslosigkeit. Erwachsene konnten nicht so spielen. In tausend Jahren nicht. Loren dachte an ihre wilden Zeiten, in denen sie stundenlang Running Bases hatte spielen können, ohne sich auch nur eine Sekunde zu langweilen.
Sie fragte sich, ob Marsha Hunter das je tat, ob sie je herauskam und mit ihren Jungs Running Bases spielte. Und als sie das dachte, verspürte sie plötzlich noch einen Stich.
Dafür war jetzt keine Zeit.
Marsha beobachtete sie vermutlich vom Küchenfenster aus. Loren musste sich beeilen. Sie ging auf das Mädchen zu – wie hieß sie noch? Kylie? Kyra? Kelsie? – und winkte.
»Hi.«
Das Mädchen schirmte mit der Hand die Augen vor der Sonne ab und blinzelte. Sie war ziemlich hübsch und hatte blonde Strähnen, wie sie nur die Jugend oder die Kosmetikindustrie hinbekam. »Hi.«
Loren verschwendete keine Zeit mit Vorreden. »Ist Matt Hunter oft hier?«
»Matt? Klar.«
Das Mädchen antwortete ohne jedes Zögern. Loren unterdrückte ein Lächeln. Ach, die Jugend.
»Wie oft?«
Kyra – ja, so hieß sie – richtete sich etwas argwöhnischer auf. Aber sie war noch jung. Solange Loren ihre Rolle als Autoritätsperson durchhielt, würde sie antworten. »Ich weiß nicht. Ein paar Mal die Woche, würd ich sagen.«
»Netter Kerl?«
»Was?«
»Matt Hunter. Ist er ein netter Kerl?«
Kyra lächelte breit. »Er ist prima.«
»Kann er gut mit den Jungs umgehen?«
»Könnte nicht besser sein.«
Loren nickte und gab sich desinteressiert. »War er gestern Nacht auch hier?«, fragte sie so beiläufig, wie sie konnte.
Aber jetzt legte Kyra den Kopf schräg. »Warum haben Sie das Mrs Hunter nicht gefragt?«
»Ich brauche nur eine Bestätigung. Er war hier, stimmt’s?«
»Ja.«
»Die ganze Nacht?«
»Ich war mit ein paar Freunden in der Stadt. Das kann ich nicht sagen.«
»Da lagen Decken auf der Couch. Wer hat da geschlafen?«
Sie zuckte die Achseln. »Matt
Weitere Kostenlose Bücher