Kein Kanadier ist auch keine Lösung
zu seiner Matte, auf der er sich im Lotussitz zusammenfaltete.
Alle starrten auf die schwingende Rute. Zwischen Sybilles Lippen erschien die Spitze ihrer Zunge. Die Spannung war kaum auszuhalten. Niemand atmete. Alle waren von dem schwingenden Draht hypnotisiert. Plötzlich verlangsamte sich das Schwingen und stoppte schließlich ganz. Sybille hob den Kopf.
„ Ich habe gar nichts gemacht!“
Der Yogi nickte, nicht überrascht, die ganze Weisheit seiner nicht mehr als dreißig Lebensjahre ausstrahlend.
„ Es hört von allein auf, wenn die Information übertragen wurde.“
Download beendet, dachte Sandra und überlegte, ob die verdammte Rute in ihrer Hand funktionieren würde. Flo besaß auch Dinge wie Pendel, die in Sandras Händen jedoch stets jegliche Bewegung verweigerten. Vielleicht war sie einfach nicht der spirituelle Typ. Doch dann meldete sich ihr Verstand. Wie sollte dieses Ritual dieselbe Wirkung wie das Medikament haben? Es sprach gegen alles, an das sie glaubte. Einschwingen . Vielleicht sollte sie sich ihre Nasennebenhöhlenpillen auch lieber einschwingen anstatt sich auf das altmodische Schlucken zu verlassen.
„ Hast du gerade Kopfschmerzen?“, fragte sie Sybille, in der Hoffnung zu erfahren, ob die Methode Resultate zeigte. Leider schüttelte Sybille den Kopf.
„ Nicht heute.“
„ Heute wirst du auch keine mehr bekommen“, prophezeite Yogi Bär. „Sobald sich die ersten Symptome einstellen, führe das Einschwingen durch. Du wirst sehen, es funktioniert.“
Die Gruppe schwieg in verwirrter Bewunderung. Sandra starrte den Yogi an, der ein paar Unterlagen sortierte, die neben ihm lagen. Sollte er nicht dazusagen, dass diese Technik vom Arzt verschriebene Medikamente nicht vollständig ersetzen konnte? Was, wenn jemand eine chronische Krankheit hatte und einfach seine Pillen wegließ? Hilfe suchend sah sie Florence an.
„ Ich weiß, was du jetzt denkst“, sagte diese. „Du hast ein Display auf deiner Stirn, das ich lesen kann.“
„ Und trotzdem sagst du nichts dazu? Ich meine, das ist doch unverantwortlich.“
„ Nun machen wir eine Pause. Ich habe Tee für euch mitgebracht“, gab der Yogi bekannt.
„ Sollen wir uns den auch einschwingen?“, flüsterte sie Flo zu und erntete einen genervten Warnblick.
Irgendwie hatte Flo heute einen niedrigen Humorpegel. Die Gruppe verteilte sich locker im Raum und man begab sich in gesitteter Manier an die Seite, wo zwei Pumpkannen nebst Pappbechern auf einem langen Tisch standen. Sandra erspähte eine Schale mit Keksen und nahm sich einen. Ihre Zähne knirschten, als sie auf gemahlene Steine trafen. Sie verzog das Gesicht.
„ Vollkorn mit biologisch angebauten Rosinen und einem Hauch Kardamom. Natürlich ohne Zucker“, sagte Reinhold grinsend.
Sie hielt ihm den Keks hin und er lehnte lachend ab. Wahrscheinlich war er nur wegen der Brustübung hier. Der Tee erwies sich ebenfalls als gewöhnungsbedürftig. Stark gewürzt brannte er pfeffrig auf ihrer Zunge. Sandra stellte den Becher ab und sah einen Mann um die Vierzig mit Bierbauch und sich zurückziehendem Haaransatz, der sich aufmachte Flo anzusprechen.
„ Hallo, Florence. Erinnerst du dich daran was Yogi Amaranda letzte Woche zu mir gesagt hat?
Sie nickte eifrig. „Er meinte, du solltest deinem Totem-Tier vertrauen.“
„ Was ist es denn?“, fragte Sandra und versuchte zu raten, indem sie sich den Mann genauer ansah. „Eine Maus?“
Flo boxte ihr gegen die Schulter. „Nein, und außerdem ist eine Maus ein sehr starkes Totem.“
Der Mann reichte Sandra die Hand.
„ Ich bin der Bernd. Schön dich kennenzulernen. Mein Totem ist der Fuchs. Ein Fuchs beobachtet alles. Diesem Ratschlag bin ich gefolgt und konnte ungeheure Beobachtungen machen.“
Flo gab sich beeindruckt. „Wirklich? Wie schön für dich.“
Ungefragt gab Bernd weitere Informationen preis.
„ Mein Chef betrügt seine Frau mit einer Kollegin. Ich bin ganz sicher. Habe die Anzeichen erkannt. Er und Frau Schneider bleiben immer lange im Büro. Und wenn seine Frau dann anruft, sagt er, er war in einer Besprechung. Besprechung, pha! Bei uns gibt’s überhaupt keine Besprechungen! Was immer die da machen hinter verschlossener Tür, sprechen tun die nicht. Wozu auch? Die Frau arbeitet in einer ganz anderen Abteilung.“
Flo verzog schmerzhaft das Gesicht. Die Erinnerung an ihren eigenen untreuen Mann stand ihr im Gesicht geschrieben.
„ Und hat sich dein Leben dadurch verbessert?“, wollte Sandra wissen.
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