Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
Vom Netzwerk:
runtergefallen. Mit den Tüten in der Hand konnte er sich natürlich nicht festhalten.«
    »Oh Gott. Aber warum hat er denn nicht mal angerufen, dann hättest du ihn besucht.«
    »Er hat sich den Kiefer gebrochen und kann nicht sprechen. Außerdem sind der linke Unterarm und die rechte Mittelhand gebrochen. SMS tippen ging also auch nicht.«
    »Ach, etwas Gutes hat das Ganze doch auch: Er wird wohl fürs Erste nicht unpünktlich zum Essen erscheinen, schließlich wirst du ihn füttern müssen.«
    Ilka konnte darüber nicht lachen. Sie hatte es eilig. Sie wollte ein paar Sachen für Max einpacken und zurück ins Krankenhaus fahren.
    *
    Mein Laufoutfit hing immer noch drohend an der Tür und schaute vorwurfsvoll auf mich herab.
    Drei Tage noch, dann habe ich ein Problem, dachte ich. Es sei denn, ich sage Ole die Wahrheit – die ganze.
    Ich stellte mich vor den Spiegel und versuchte es. »Ole, ich bin die Letzte, mit der du eine Runde um die Alster laufen kannst, aber dafür bist du der Erste seit … jedenfalls der Erste, mit dem ich es mir vorstellen könnte … nicht das mit dem Laufen …«
    Ich rutschte mit dem Po an der Wand im Flur runter und blieb in der Hocke sitzen. Selbst wenn ich es schaffen würde, ihm im Schneckentempo um die Alster hinterherzuhinken, was würde das bringen? Ich sollte die Klamotten bei eBay einstellen und das Ganze vergessen oder einfach im Laden zurückgeben, den Bon hatte ich ja schließlich noch. Dann hätte ich auch genug Geld für meinen Um-den-Finger-Wickeln-Fummel.
    Ach Gott, das waren ja auch nur noch eineinhalb Wochen, ganz genau … Moment, einen im Sinn, macht: Elf Tage! Egal, ich werde schon noch etwas finden. Vielleicht doch das Konto überziehen? Gleich nach der Arbeit. Guter Plan!
    Also, ein Problem weniger. Da blieb aber noch das andere. Das in drei Tagen. Ich versuchte es auf die rationale Weise: Ole war neu im Sender und wollte Kontakt zu Arbeitskollegen knüpfen. Bitte. Konnte man ja verstehen. Aber warum gerade ich? Es gab doch ausreichend Männer in der Abteilung, eine Fußballmannschaft unter der Leitung unseres Archivchefs, die sich immer dienstags traf, und eine Skatgruppe.
    Warum wollte er also mit mir laufen gehen? Mit der einzigen Kollegin, die alles andere als sportlich war. Vielleicht hatte er an dem Tag, als er mich gefragt hatte, einfach morgens vergessen, seine Kontaktlinsen einzusetzen, und nicht sehen können, dass ich nicht die geborene Triathletin war. Und am nächsten Tag, als er die Kontaktlinsen wieder drinhatte und mich sah, traute er sich nicht mehr, die Einladung zurückzuziehen. So wird es gewesen sein.
    Da saß ich nun und wünschte mir einen Gipsfuß. Oder Gipsarm. Ein Finger hätte auch gereicht. Damit hätte ich auf keinen Fall laufen können.
    Marcs Anruf rettete mich vor weiteren Lauf-Outfit-und-Ausreden-Überlegungen.
    »Na, was machst du gerade?«, fragte er.
    »Ich sitze vor einem Jogginganzug und überlege, wie ich es anstelle, ihn nicht anziehen zu müssen.«
    »Ich wüsste, wie.«
    »Aha.«
    »Indem du zu mir kommst. Ohne Jogginganzug«, sagte er. Es klang aber wie: ohne Kleidung.
    »Dafür mit Zahnbürste?«, fragte ich frech.
    »Zum Beispiel.«
    »Marc, das würde ich auf der Stelle tun. Ich würde Waltraud bei meiner Freundin abgeben, meinen Trenchcoat anziehen, ohne Jogginganzug darunter, und in einer halben Stunde vor deiner Tür stehen. In der rechten Hand meine Zahnbürste, in der linken einen Prosecco und beides fallen lassen, wenn du öffnest, um dich besser küssen zu können.«
    »Aber?«
    Aber du hast Sophie, und ich habe unseren Sonntag. Und dabei wird es wohl bleiben , wollte ich kontern, tat es aber nicht.
    Stattdessen hörte ich mich sagen: »Aber ich weiß nicht, wo du wohnst.«
    Oh Gott, das hatte ich jetzt nicht gesagt. Oder doch? Ich hielt mir vor Schreck die Hand vor den Mund und hielt die Luft an.
    Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überallhin. In diesem Fall war es die Waidenallee. Vorher gab ich allerdings eine eingeschnappte Waltraud bei einer überforderten Hanne ab. Half nichts. Da mussten die beiden durch. Eine Augenzeugin konnte ich jetzt wirklich nicht auch noch gebrauchen, bei dem, was ich vermutlich gleich tun würde.
    Ich konnte es nicht fassen. Was war denn mit mir los? Der Frühling war schuld. Oder nagte Birgits Bemerkung, »mir täte ein Mann auch mal wieder gut«, doch unterbewusst an mir? Die Argumente, die gegen diesen Blödsinn sprachen, waren klar. Also überlegte ich während der

Weitere Kostenlose Bücher