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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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Warum er dich nicht angerufen hat, kann ich dir allerdings nicht sagen. Aber es klang nicht so, als wäre er schwer verletzt.«
    Ilka machte sich sofort auf den Weg zu ihm und versprach, sich zu melden, sobald sie wüsste, was passiert war. Bevor sie verschwand, drückte sie mir noch einen Kuss auf die Wange und einen Regenschirm in die Hand.
    *
    Zum Glück hörte es am nächsten Tag auf zu regnen. Mit heißer Schokolade bewaffnet ging ich in der Mittagspause mit Waltraud Richtung Hundebesitzerhimmel: ein Grünstreifen, auf dem man den warmen Hundehaufen nicht mit dem Plastiktütchen, das man selbstverständlich in der Handtasche neben Lippen- und Abdeckstift immer dabeihatte, aufheben musste.
    Wer hier pinkeln und spielen ließ, der hinterließ auch gern mal selbst seine Duftmarken. Schließlich war ein Hund besser als jede Kontaktadresse, wie sich schnell herausstellte. So war ich entweder damit beschäftigt zu verhindern, dass Waltraud bestiegen wurde oder man mich selbst ins Visier nahm. Selten gingen wir beide leer aus.
    Die letzte Telefonnummer, die ich zugesteckt bekommen hatte, »weil sich unsere Hunde so gut verstehen, da könnten wir doch mal …«, hatte ich drei Minuten in der Hand gehalten. Danach war sie im Mülleimer gelandet, was nicht daran lag, dass ich schon vergeben war, aber der Besitzer des Boxers, mit dem meine Hundedame sich so gut verstanden hatte, sah seinem Hund sehr ähnlich. Alle anderen »Angebote« waren bislang aber auch nicht besser gewesen.
    Immerhin, Waltraud amüsierte sich köstlich – mit drei Rüden. Ich setzte mich auf die letzte freie Bank und sah ihr zu. Als mal wieder eine Dreierkolonne Latte-Ladys mit Designerkinderwagen an mir vorbeizog, beschloss ich unwillkürlich, Waltraud sterilisieren zu lassen, damit ich nicht Oma werden würde, ohne jemals Mutter gewesen zu sein.
    Was wohl aus Ilka und Max geworden war? Ob sie sich am Krankenbett versöhnt hatten? Mir fiel Ilkas Hinweis wieder ein, mal etwas zu lesen, und so marschierte ich nach der Arbeit mit Waltraud in die nächstbeste Buchhandlung.
    Ich betrachtete die Bücher auf dem Tisch vor mir. Allan Pease/Barbara Pease: Warum Männer immer Sex wollen und Frauen von der Liebe träumen. Wirklich keine neue Erkenntnis. Michael Mittermeier: Achtung Baby! Vielleicht die richtige Literatur für Max, sobald er von seinem Glück erfuhr. Eckart von Hirschhausen: Glück kommt selten allein. Mein Buch.
    Waltraud hatte sich beleidigt unter die Sitzbank verzogen und guckte, als hätte ich sie ausgesetzt. Sie hatte wohl völlig vergessen, dass ich diejenige war, die sie eingesammelt hatte. Dafür sollte sie mir ihr Leben lang dankbar sein.
    »Die Mutter des kleinen Benjamin möchte sich bitte im ersten Stock bei der Information melden. Die Mutter des …«
    Ich beachtete die Ansage erst, als die »Mutter des kleinen Benjamin« zum vierten oder fünften Mal ausgerufen wurde und eine ältere Frau neben mir bemerkte: »Also so was. Es kann doch nicht angehen, dass eine Mutter nicht bemerkt, dass ihr Sohn weg ist. Also wirklich. Und so eine darf Kinder bekommen.«
    Und so eine darf auch mal ein paar Minuten am Tag ohne ihr Kind in Ruhe in den Büchern stöbern, dachte ich. Ich konnte die Mutter verstehen. Sie hätte es natürlich auch zur Oma oder in den Kindergarten geben können. Dann hätte sie jetzt keinen Ärger. Ein Findelkind reichte mir völlig, und so weckte ich die beleidigte Waltraud, nahm das Buch und ging zur Kasse.
    *
    Als ich gerade versuchte, den Schlüssel ins Türschloss zu stecken, und Waltraud an der Leine zog, weil sie wusste, dass es jetzt etwas zu fressen gab, klingelte mein Handy. Handys haben ein Gespür für ungünstige Momente – davon war ich überzeugt.
    »Ich bin’s. Ilka.«
    Ach ne, dachte ich. Das hatte ich schon auf dem Display gesehen.
    »Und? Wie geht es ihm?«
    »Oh, Mann. Charly. Wenn du nicht alle Krankenhäuser angerufen hättest …«
    »Was hat der Hase denn nun?«
    »Er war in der Innenstadt und hat mir Dessous gekauft …«
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie eine schwangere Ilka mit Stützstrümpfen und Spitze aussah.
    »Er wollte sich bei mir entschuldigen, weil er mich so oft versetzt hat. Er hatte mal wieder mit den anderen Jungs aus seiner Band etwas zu viel gefeiert und dabei Zeit und Raum vergessen. Und dann wollte er es halt wiedergutmachen. Auf dem Weg die Rolltreppe runter ist jemand von hinten angelaufen gekommen, der es sehr eilig hatte, und dabei ist Max die Rolltreppe

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