Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
Vom Netzwerk:
ich mir wirklich noch nicht genauer angesehen.
    Jedenfalls war sie nicht mehr sie selbst. Die Karrierefrau, der alles gelang, die immer bekommen hatte, was sie wollte, saß wie ein kleines Mädchen, das gerade sein Zeugnis erhalten hatte und nicht versetzt werden würde, neben mir, den Kopf auf meinen Schoß gelegt und heulte. Premiere. Der Arzt hatte ihr für die wenigen vorhandenen Eizellen eine glatte Sechs gegeben. Was sollte man da sagen? Am besten nichts.
    »Ich dachte immer, es liegt an ihm«, sagte sie irgendwann, mit schwarzen Balken unter den Augen. Das war kein wasserfester Mascara, so viel stand fest.
    Aber sie wollte nicht aufgeben. Eine Chance gebe es noch, erklärte sie mir. Künstliche Befruchtung. »Da rührt dann irgendein Mediziner mein Kind in einem Reagenzschälchen zusammen. Wer hätte das gedacht, dass es mal so weit kommen würde?«
    Drei Taschentuchpackungen später nahm sie mich noch einmal in den Arm, diesmal allerdings zum Abschied, denn in ihrem Timer gab es noch mehr Termine außer »Kinderwunsch«.
    Waltraud und ich saßen noch eine Weile am Hafen, dann wackelten wir nach Hause – immer noch ohne passendes Kleid. Zehn Tage noch und in dieser wunderschönen großen Stadt gab es weit und breit nichts, was mir gefiel, bezahlbar war und mich in eine Traumfrau verwandelte.
    Und dann auch noch das Treffen mit Ole. Ich durfte gar nicht daran denken … Das war schließlich nicht in zehn Tagen, sondern übermorgen!
    **

Ole sah mich irritiert an, als wir uns am Freitag pünktlich um 17 Uhr an der großen Wiese schräg gegenüber vom Kliff trafen. Da er vormittags nicht im Sender gewesen war, hatten wir zum Glück nicht mehr über unsere Verabredung sprechen können. Das hätte gerade noch gefehlt, dass er mich nach meinem Tempo, meiner Zeit, meinem Was-weiß-ich fragte und mit mir fachsimpeln wollte, bevor es losging.
    Es war – meiner Meinung nach – viel zu warm zum Laufen, so viel stand schon mal fest. Mindestens zweiundzwanzig Grad, wenn nicht noch mehr. Auf alle Fälle fühlte es sich so an – unter meinen Achseln. Das schrie ja geradezu nach einem Kreislaufzusammenbruch.
    Aber ich hatte einen besseren Grund gefunden, mich nicht um dieses schöne Gewässer bewegen zu müssen.
    »Was ist denn das?«, fragte er überrascht.
    »Wonach sieht es denn aus?«
    »Zumindest nicht nach einer Transportmöglichkeit für Laufschuhe, Jogginghose und Schweißband.«
    »Richtig. Es ist ein Picknickkorb, und er ist nicht leer.«
    Waltraud freute sich, ich war mir aber nicht sicher, ob es dieses Mal wirklich an Ole lag oder an dem Inhalt des Korbes.
    Ich entschied mich für die Wahrheit. Zumindest für einen Teil davon. Ich sei etwas angeschlagen – nichts Ernstes –, aber doch immerhin so, dass meine restliche Energie nicht reichte, um auch nur ein einziges Mal um die Alster zu laufen.
    Ole trug uns zwei der weißen Holzstühle, die auf der Wiese standen, unter einen Baum, wobei sich sein kurzärmliges T-Shirt automatisch etwas hochschob und seine muskulösen Oberarme freilegte. Das weckte in mir das Interesse an dem Rest, der sich unter dem Shirt befand.
    Die Sonne schien uns direkt ins Gesicht. Fast wie Urlaub, wenn er nicht mein Kollege wäre und wir nicht gerade in ein Gespräch vertieft wären, das sich um unseren wahnsinnigen Chef drehte, den alle nur noch Grusel-Günther nannten.
    Mein Handy teilte mir durch ein kurzes, aber unüberhörbares Piepen die Ankunft einer SMS mit. Ich sah kurz nach, von wem sie war. Marc. Was machst du?
    Eigentlich lautete die Frage: Kommst du zu mir? Aber ich wollte jetzt nicht darauf eingehen. Er schon. Zehn Minuten später rief er an. Ich sah seinen Namen auf dem Display.
    »Willst du nicht rangehen?«, fragte Ole.
    »Nein.«
    Einmal fremdgehen, darüber konnte man reden, aber mit System? Das war doch etwas zu frech. Ich kannte Sophie nicht weiter, aber das wollte ich ihr nicht antun.
    Außerdem war ich kein Lückenfüller, den man jederzeit zu sich bestellen konnte, wenn es still um einen wurde. Von der Tatsache, dass er eben doch etwas anders war, mal ganz zu schweigen.
    Es klingelte weiter. Mist. Warum hatte ich denn keine Mailbox, die nach achtmal klingeln anging.
    »Bist du sicher?«
    »Ja, sehr.«
    »Deine Mutter?«
    »Nein, ein … ein Bekannter.«
    »Aha.«
    Es klingelte immer noch.
    »Er scheint es aber ernst zu meinen – dein Bekannter.«
    »Ja, das Gefühl habe ich auch gerade. Leider.«
    Endlich hörte es auf.
    Zwei Stunden später war die

Weitere Kostenlose Bücher