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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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Oger reagierten gutmütig auf sein Drängeln. Nur ein stockbetrunkener Mensch im Firvulag-Kostüm drohte, sein Bierseidel auf Tonys Kopf zu zerschmettern, falls dieser nicht bessere Manieren zeige. »Du bist nicht der einzige, der es nötig hat, alter Lustmolch«, erklärte der Schluckspecht. »Reg dich ab, und du wirst deinen Anteil schon kriegen, bevor diese Nacht vorbei ist!«
    Es war fast Mitternacht. Das Zechen und Tanzen der verheirateten Leute hatte ein Ende gefunden, und um den Maibaum wurde ein großer Platz für den Tanz der Bräute freigemacht. Das Orchester spielte eine langsame, sittsame Melodie, und die Jungfrauen erschienen in feierlicher Prozession. Gewänder und Kopfputz, entweder in Rot oder in Grün, waren von phantastischer Pracht. Die rotgekleideten Mädchen mit ihren herrlichen Mänteln, verführerischen Trikots und roten Stiefeln machten den größten Eindruck. Auf wallenden Locken in Braun oder Dunkelrot saßen hohe, sternenschimmernde Krönchen, die mit Rubinen und einem dem Opal ähnelnden feurigen Edelstein eingelegt waren. Die pikanten Gesichter darunter wurden von kostbaren Rahmen noch verschönt.
    »Jede einzelne eine kleine Venus!« begeisterte sich Tony.
    Der Gesichtsausdruck des Ritters ließ sich nicht deuten. »Es sind Fremde. Verwandt mit den seelenverschlingenden Tanu.«
    Tony ignorierte das. »Und willig, nur für heute nacht! Gott, Dougie - es ist so lange her!«
    »Zu lange für uns alle«, grollte der Biertrinker. »Jesus, seht euch ihre Edelsteine an!«
    »Zum Teufel mit den Edelsteinen!« erklärte ein anderer Geringer aus Herzensgrund. »Mir wäre es auch egal, wenn sie Kartoffelsäcke anhätten. Endlich richtige, lebendige Frauen!«
    »Nichtmenschliche Frauen. Feenfrauen!« Dougals Stimme wurde lauter.
    Tony meinte: »Wen interessiert das? Nur in dieser einen Nacht im Jahr gehen sie mit jedem! Man braucht nichts weiter zu tun, als den Blumenkranz zu schnappen, den sie beim Tanz schwenken.«
    »Ich möchte eine Rothaarige!« brüllte jemand. »Ein Mädchen mit roten Stiefelchen!«
    »Behalt noch 'nen Moment die Hosen an, Amigo! Es dauert jetzt nicht mehr lange.«
    Die gnomenhaften Musiker gingen zu einer lebhafteren Weise über, und die Mädchen umkreisten den Maibaum. Die männlichen Fremden riefen einen Satz in ihrer eigenen Sprache, und die Tänzerinnen antworteten. Hin und her gingen die neckenden Wechselreden zwischen den beiden Geschlechtern, schneller wurde der Reigen, und die Schleier an den sternenschimmernden Krönchen flatterten als verwischter Nebel hinter den Mädchen her. Ein lauter Ausruf im Chor, und sie breiteten die Arme aus und liefen auf den zentralen Maibaum mit seinen geflochtenen Bändern und den Blumengirlanden am Fuß zu.
    Die Jungfrauen verschwanden. Statt ihrer stieg eine Myriade von kleinen, regenbogenfarbenen Lichtern wie tropische Leuchtkäfer auf. In magischer Weise heftete sich jedes ans Ende eines bunten Bandes, und der ganze Schwarm tanzte in einem langsameren, sinnlichen Rhythmus weiter. Die Bänder verflochten und entflochten sich, die Lichtlein stiegen und fielen, wogten und wirbelten. Der auffordernde Gesang wurde zum Gurren, leise und verlockend. Hilflos schwankend sangen die verzauberten Männer mit.
    Plötzlich wurde das Tempo der Musik noch schneller. Die kostümierten Mädchen standen wieder auf dem gelben Sand, und jede hielt einen Kranz in den Händen. Sie tanzten bis zu der Stelle vor, wo die Jünglinge warteten, und während neue Neckreden getauscht wurden, fanden sich die ersten Paare. Ein Mann nach dem anderen ergriff den Kranz seines erwählten roten oder grünen Schatzes und ließ sich an ihm auf die Tanzfläche ziehen. Es war alles unwiderstehlich: Die wirbelnden Farben, der berauschende Blumenduft, die Musik mit ihrem hämmernden, sexuellen Beat.
    Eine der kleinen Schönheiten stand vor Tony Wayland. Schwarze Augen funkelten durch den juwelenbesetzten Gesichtsrahmen. Der linde Maiwind blies rote und goldene Draperien beiseite und entblößte einen zarten Körper mit verführerisch geschwungenen Linien, völlig menschlich in den Umrissen.
    »Komm, komm!« sang die Nymphe.
    »Nein, mein Lord!« rief Dougal und versuchte, Tony zurückzuhalten. Der Metallurg riß sich los.
    »Komm, komm!«
    Tony faßte den Kranz. Sie zog ihn weg zu den anderen Paaren. Die Mädchen in Rot, bemerkte er, hatten sich ihre Liebhaber vor allem aus den Geringen erwählt. Wie freundlich von ihnen, denn sie waren die allerschönsten!
    »Geht nicht!«

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