Kein König von Geburt
Für und Wider muß mit äußerster Sorgfalt abgewogen werden. Gott sei Dank liegt die letzte Entscheidung bei Elizabeth, nicht bei mir.«
Denny war empört, ungläubig. »Du willst dir von dieser ... dieser Mystikerin deine Strategie diktieren lassen?«
»O ja«, fiel Basil ein, »das tut sie schon die ganze Zeit, weißt du. Sie ist die wichtigste Person auf der Welt.«
»Das arme Ding«, seufzte Peopeo Moxmox Burke hinzu.
7
Von neuem bereitete sich Elizabeth auf den Abstieg vor.
Der Eingang zu dem Abgrund war eng, doch perverserweise öffnete er sich nur zu gern, um einen Katarakt der Zerstörung auszuspeien, als das Ego zu zerbrechen drohte und seine Aggression die äußerste Entladung im Tod suchte.
Dionket und Creyn, die als Schleuse figurierten, stählten sich gegen den teuflischen Druck. Sie teilten das Schuldbewußtsein wie die Hoffnung, denn sie wußten, die Quelle der bösen Gewalttätigkeit, inkarniert in dieser dem Höhepunkt zustrebenden Flut, lag in ihrem eigenen Rassengeist.
Die Gefahr für die Heiler war jetzt außerordentlich groß. Felices Vorrat an Fügsamkeit war nahezu erschöpft. Je näher Elizabeth sich dem Kern der Abnormalität näherte, desto größer wurde die Furcht der Patientin. Felices menschlicher Seelenanteil, bestenfalls schwach, wankte angesichts der nicht umkehrbaren Veränderung. Statt sich ihr zu stellen, spielte sie mit dem Gedanken, sie durch Implosion oder Explosion zu beenden.
Jedes Mal, wenn Elizabeth zwischen Dionket und Creyn hindurch jenen Schlund vergoldeten, wirbelnden Schmutzes betrat, hielten die beiden Tanu-Redakteure es für unmöglich, daß sie zurückkehren werde. Schon die oberen Schichten von Felices Wahnsinn stellten ihre metaverstärkten Gehirne auf eine Zerreißprobe. Welches Entsetzen mußte in den dunklen Tiefen auf die Großmeisterin warten - besonders jetzt, wo die Vollendung so nahe war?
»Felices Anomalität ist beinahe fünften Grades«, warnte Dionket. »Sie steht dicht am Rand. Wenn dir die Katharsis nicht gelingt, kann die psychoenergetische Entladung nach außen gerichtet werden und entsprechend ihren Phantasien über die Vernichtung des Planeten die ganze Schwarze Klippe in eine sonnenheiße Feuerkugel verwandeln. Andererseits, wenn du sie umwirfst, würden die Aggressionen und die Gewalttätigkeit nach innen gelenkt und sie auslöschen. Du persönlich hättest dann versagt - aber es wäre das gleiche wie ein objektiver Erfolg. Das Ungeheuer wäre verschwunden.«
»Ich bin unfähig, einem intelligenten Wesen absichtlich Schaden zuzufügen«, erinnerte ihn Elizabeth. Aber größer als der alte Zwang war der Stolz. »Und ich glaube fester als je zuvor daran, daß ich sie zu retten vermag. Ich bin fast an der Quelle angelangt! Und ich bin überzeugt, daß ich endlich den neuronalen Ursprung des abweichenden Verhaltensmusters aufgespürt habe.«
Sie zeigte ihnen die Wechselbeziehung zwischen den subkortikalen Strukturen und bestimmten Anomalien, die die sekundären Ebenen von Felices Geruchszentrum beeinflußten. Doch den beiden Tanu mangelte es an Kenntnissen in der Psychobiologie, und so konnten sie ihr nicht folgen. Schon als ihre Rasse ins Exil ging, war die Technik der Redigierung zu einem Stand degeneriert, der eher Kunst als Wissenschaft war.
»Laß sie sterben, Elizabeth«, flehte Creyn. »Wenn du weitermachst und wenn sie nicht völlig zusammenbricht, kann sie dich verschlingen. Du wärst dann in einer obszönen psychokreativen Bruchstelle gefangen, müßtest für immer an ihren Schmerzprojektionen teilhaben, eine Komplizin ihrer Ungeheuerlichkeiten.«
»Aber wenn Felice gesund wäre ...« Und Elizabeth zeigte ihnen die mögliche Apotheose, die Wunder, die diese blasse kleine Göttin unter der Führung einer Großmeisterin bewirken könnte. »Es gäbe keine Kriege mehr im Vielfarbenen Land. Keine Bedrohung mehr durch die geflohenen Rebellen in Nordamerika. Mit Felice als koerziblem Katalysator, mit ihrer unwiderstehlichen Kraft auf der richtigen Waagschale, könnten wir eine Miniatur-Einheit von Tanu und Firvulag und ringtragenden und operanten Menschen erzielen!«
Dionket und Creyn sahen Elizabeth voll Kummer und Angst an und wiesen die Vision zurück. »Im Verlaufe deiner Redigierungsarbeit an Felice ist es immer deutlicher geworden: Sie sehnt sich nach dem Tod.«
»Sie würde das Leben wählen, wenn sie gesund wäre! Und den Frieden.«
Dionket Lord Heiler lächelte - nicht zynisch, sondern mit der Weisheit großen Alters.
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