Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
Generalprobe in die Kirche, um sich deine Hand anzusehen.«
» Was ?« Automatisch balle ich eine Faust und verspritze im ganzen Badezimmer Bodylotion.
»Mum meint, man kann mit Verbrennungen gar nicht vorsichtig genug sein, und ich finde, sie hat recht.«
»Das musste sie nicht tun!« Ich versuche, nicht allzu panisch zu klingen.
»Süße.« Er küsst meinen Kopf. »Es ist schon alles arrangiert.«
Er geht aus dem Badezimmer, und ich starre mich im Spiegel an. Plötzlich fühle ich mich gar nicht mehr so selig frisch gevögelt. Jetzt sitze ich wieder in meinem dunklen Loch. Was soll ich tun? Ich kann doch nicht ewig weglaufen.
Ich habe mich nicht an der Hand verbrannt. Ich habe keinen Verlobungsring. Und ich besitze auch keine enzyklopädischen Kenntnisse von Scrabble-Wörtern. Ich bin eine elende Blenderin.
»Poppy?« Bedeutsam taucht Magnus wieder in der Badezimmertür auf. Ich weiß, dass er ins Bett möchte, weil er morgen früh nach Brighton muss.
»Komme!«
Ich folge ihm ins Bett, kuschle mich in seine Arme und imitiere ziemlich gut jemanden, der friedlich einschläft. Innerlich jedoch rotiere ich. Jedes Mal, wenn ich abschalten will, stürzen tausenderlei Gedanken auf mich ein. Wenn ich Paul, dem Dermatologen, absage, schöpft Wanda dann Verdacht? Könnte ich eine Verbrennung vortäuschen? Was wäre, wenn ich Magnus alles jetzt und auf der Stelle beichten würde?
Ich versuche, mir dieses letzte Szenario vorzustellen. Ich weiß, es wäre das Vernünftigste. Es ist das, was einem die Briefkastentanten empfehlen würden. Wach auf und erzähl es ihm.
Aber ich kann es einfach nicht. Und nicht nur, weil Magnus immer total genervt ist, wenn man ihn nachts weckt. Er wäre schockiert. Seine Eltern würden in mir immer nur das Mädchen sehen, das den Familienring verloren hat. Es wäre ein bleibender Makel. Es würde einen Schatten auf alles werfen.
Und entscheidend ist doch, dass sie es nicht wissen müssen . Es muss ja nicht rauskommen. Mrs. Fairfax könnte jeden Moment anrufen. Wenn ich nur bis dahin durchhalte …
Ich möchte den Ring wiederhaben und ihn mir auf den Finger stecken, ohne dass jemand was merkt. Das möchte ich.
Ich werfe einen Blick auf die Uhr – 2:45 –, dann auf Magnus, der friedlich atmet, und spüre, wie mich ein irrationaler Groll überkommt. Er hat’s gut.
Abrupt schwinge ich meine Beine unter der Decke hervor und greife nach meinem Morgenmantel. Ich gehe und mache mir einen Kräutertee, wie sie es in Zeitschriften bei Schlaflosigkeit empfehlen, zusammen mit dem Rat, dass man seine Probleme aufschreiben soll. 48
Mein Handy lädt in der Küche auf, und während ich darauf warte, dass der Wasserkocher brodelt, klicke ich mich schläfrig durch die Nachrichten und leite einige an Sam weiter. Ich habe eine SMS von einem neuen Patienten, der gerade am vorderen Kreuzband operiert wurde und dem das Gehen schwerfällt, und ich schicke ihm eine kurze, aufbauende Nachricht zurück, in der ich ihm sage, dass ich versuchen will, ihn morgen für eine Behandlung irgendwo dazwischenzuklemmen. 49 Gerade gieße ich heißes Wasser auf einen Beutel mit Vanille-Kamille-Tee, als eine SMS piept und ich vor Schreck zusammenzucke.
Was machen Sie noch so spät?
Es ist Sam. Wer sonst? Ich setze mich mit meinem Tee und nehme einen Schluck, dann schreibe ich zurück:
Kann nicht schlafen. Was machen SIE noch so spät?
Warte auf ein Gespräch mit LA . Wieso können Sie nicht schlafen?
Morgen ist mein Leben zu Ende.
Okay, das könnte vielleicht einen Hauch übertrieben sein, aber momentan fühlt es sich so an.
Ich kann mir vorstellen, dass einen das wach hält. Wieso ist es zu Ende?
Wenn er es wirklich wissen will, werde ich es ihm erzählen. Tee schlürfend schreibe ich fünf Kurznachrichten voll, dass der Ring gefunden und wieder verloren wurde. Und dass Paul, der Dermatologe, sich meine Hand ansehen will. Und dass die Tavishes wegen des Rings jetzt schon zickig sind, und dabei wissen sie noch gar nicht, dass er weg ist. Und dass alles über mir zusammenbricht. Und dass ich mir wie ein Zocker vorkomme, der nur noch eine Drehung beim Roulette braucht, damit alles wieder gut wird, dass ich aber keine Chips mehr habe.
Ich habe so schnell getippt, dass mir die Schultern wehtun. Ich lasse sie ein paarmal kreisen und nippe ein paarmal an meinem Tee und überlege gerade, ob ich die Kekse aufmachen soll, als ich eine neue SMS bekomme.
Ich bin Ihnen was schuldig.
Ich lese es und zucke mit den
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