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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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zu trennen, und dann war man auf einmal selber derjenige, mit dem sie sich prügeln wollten. Und manchmal musste man ihnen den Gefallen eben tun. Anders ging’s einfach nicht. Und man hat besser nicht verloren. Heute erlebt man das nicht mehr so oft, aber dafür erlebt man vielleicht Schlimmeres. Einmal hat einer einen Revolver gegen mich gezogen, und ich hab das Ding zufällig zu fassen gekriegt, als er gerade abdrücken wollte, und der Stift vorn am Hahn ist glatt durch den fleischigen Teil von meinem Daumen durchgegangen. Da können Sie noch die Narbe sehen. Aber der Mann hatte die feste Absicht, mich umzubringen. Vor ein paar Jahren, so lange ist das noch gar nicht her, bin ich mal nachts eine von diesen kleinen zweispurigen Straßen entlanggefahren und hab mich einem Pick-up genähert, wo zwei alte Burschen auf der Ladefläche saßen. Die haben im Scheinwerferlicht ganz harmlos geblinzelt, und ich hab mich ein Stück zurückfallen lassen, aber der Wagen hatte Nummernschilder aus Coahuila, und ich hab gedacht, tja, ich muss die alten Burschen anhalten und sie mir mal genauer ansehen. Also schalt ich die Lichter ein, und kaum hab ich das gemacht, seh ich das Schiebefenster hinten an der Fahrerkabine aufgehen, und jemand reicht den beiden alten Burschen auf der Ladefläche eine Schrotflinte raus. Ich sag Ihnen, ich bin mit beiden Füßen auf die Bremse gestiegen. Der Wagen ist seitlich ausgebrochen, und die Scheinwerfer haben ins Unterholz geleuchtet, aber das Letzte, was ich auf der Ladefläche von dem Pick-up gesehen hab, war, wie einer von den alten Kerlen gerade anlegt. Ich hab mich auf den Sitz fallen lassen, und kaum hab ich gelegen, da ist auch schon die Windschutzscheibe auf mich runter gehagelt, die zerfallen ja immer in so winzig kleine Stückchen. Ich hatte immer noch einen Fuß auf der Bremse und hab gespürt, wie der Wagen in den Graben schlittert, und ich hab gedacht, gleich überschlägt’s ihn, hat’s dann aber doch nicht. Ist nur jede Menge Dreck in den Wagen reingekommen. Der Alte hat noch zweimal auf mich geschossen und sämtliches Glas auf einer Seite rausgeballert, und inzwischen war ich zum Stehen gekommen, hab auf dem Sitz gelegen und meine Pistole gezogen, und dann hab ich den Pick-up losfahren hören, hab mich hochgerappelt und mehrere Schüsse auf seine Rücklichter abgegeben, aber er war natürlich längst weg.
Ich will damit sagen, man weiß nicht, was auf einen zukommt, wenn man jemanden anhält. Man fährt auf den Highway raus. Man geht auf einen Wagen zu und hat keine Ahnung, was einen erwartet. Ich bin damals noch lang im Wagen sitzen geblieben. Der Motor war aus, aber das Licht war noch an. Die Fahrerkabine voller Glas und Dreck. Irgendwann bin ich dann ausgestiegen, hab mich abgeklopft, bin wieder eingestiegen und hab einfach nur dagesessen. Einfach meine Gedanken gesammelt. Die Scheibenwischer waren nach innen aufs Armaturenbrett geklappt. Ich hab das Licht ausgemacht und hab einfach nur dagesessen. Wenn einem wer unterkommt, der tatsächlich eine Waffe gegen einen Polizeibeamten zieht und auf ihn schießt, dann hat man’s mit einem richtig schweren Jungen zu tun. Den Pick-up damals hab ich nie wiedergesehen. Auch sonst keiner. Die Nummernschilder genauso wenig. Vielleicht hätte ich ihn verfolgen sollen. Oder es jedenfalls versuchen. Ich weiß nicht. Ich bin nach Sanderson zurückgefahren und hab vor dem Café gehalten, und ich sag Ihnen, die sind von überallher gekommen, um sich den Streifenwagen anzusehen. Voller Einschusslöcher. Hat ausgesehen wie der Wagen von Bonnie und Clyde. Ich selber hatte keinen Kratzer abgekriegt. Nicht mal von dem ganzen Glas. Dafür bin ich dann auch noch kritisiert worden. Dass ich mich da so hinstelle. Das wär Angeberei, hat’s geheißen. Vielleicht war’s das ja. Aber die Tasse Kaffee, die hab ich gebraucht, das kann ich Ihnen sagen.
Ich lese jeden Morgen Zeitung. Hauptsächlich wohl deshalb, weil ich rauskriegen will, was auf mich zukommen könnte. Nicht, dass es mir allzu gut gelungen war, es abzuwenden. Das wird immer schwerer. Da gab’s vor einer Weile zwei Jungs, die sind einander zufällig über den Weg gelaufen, der eine war aus Kalifornien, der andere aus Florida. Und irgendwo dazwischen sind sie einander begegnet. Und dann sind sie zusammen losgezogen, sind durchs Land gereist und haben Leute umgebracht. Wie viele, hab ich vergessen. Was meinen Sie, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass so was passiert? Die beiden hatten

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