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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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irgendwas nicht?
Womit?
Mit irgendwas.
Das wollen Sie von mir wissen? Ob irgendwas mit irgendwas nicht stimmt?
Der Mann wandte sich ab, drückte sich die Faust auf den Mund und hustete erneut. Er sah Chigurh an, dann wandte er den Blick ab. Er sah zum Fenster an der Vorderseite des Ladens hinaus. Die Zapfsäulen und das Auto, das dort stand. Chigurh aß noch eine kleine Handvoll Cashewnüsse.
Darf's noch irgendwas sein?
Das haben Sie mich schon mal gefragt.
Ich wollte dann nämlich zumachen.
Zumachen.
Ja, Sir.
Um welche Zeit machen Sie denn zu?
Jetzt. Wir machen jetzt zu.
Jetzt ist keine Zeit. Um welche Zeit machen Sie zu.
Im Allgemeinen, wenn’s dunkel wird. Bei Einbruch der Dunkelheit.
Chigurh kaute gemächlich. Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden, stimmt’s?
Sir?
Ich hab gesagt, Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden, stimmt’s.
Ich rede vom Zumachen. Davon red ich.
Um welche Zeit gehen Sie schlafen?
Sir?
Sie hören wohl schwer, was? Ich hab gefragt, um welche Zeit Sie schlafen gehen.
Na ja. Ich würd sagen, so gegen halb zehn. So um halb zehn rum.
Chigurh schüttete sich Cashewnüsse auf den Handteller. Dann könnte ich ja wiederkommen, sagte er.
Dann haben wir zu.
Das macht nichts.
Aber wieso wollen Sie denn dann wiederkommen? Wir haben dann zu.
Das haben Sie schon mal gesagt.
Ist ja auch so.
Wohnen Sie in dem Haus hinterm Laden? Wohnen Sie schon Ihr ganzes Leben lang hier?
Der Mann nahm sich Zeit mit der Antwort. Das Haus hat dem Vater von meiner Frau gehört, sagte er. Ursprünglich.
Sie sind durch die Heirat drangekommen.
Wir haben viele Jahre in Temple, Texas, gewohnt. Haben dort Kinder großgezogen. In Temple. Hierhergekommen sind wir erst vor ungefähr vier Jahren.
Sie sind durch die Heirat drangekommen.
Wenn Sie das unbedingt so nennen wollen.
Ich will das überhaupt nicht so nennen. Es ist so.
Tja, ich muss jetzt zumachen.
Chigurh schüttete sich die letzten Cashewnüsse auf den Handteller, zerknüllte die kleine Tüte und legte sie auf den Ladentisch. Er stand merkwürdig aufrecht, während er kaute.
Sie haben ja eine ganze Menge Fragen, sagte der Tankstellenbesitzer. Für jemand, der nicht sagen will, wo er herkommt.
Was war der höchste Verlust, den Sie je beim Münzenwerfen erlebt haben?
Sir?
Ich hab gesagt, was war der höchste Verlust, den Sie je beim Münzenwerfen erlebt haben.
Beim Münzenwerfen?
Beim Münzenwerfen.
Ich weiß nicht. Normalerweise schließt man auf einen Münzwurf keine Wetten ab. Man macht das eher, um irgendwas zu entscheiden.
Was war die wichtigste Entscheidung, die Sie je erlebt haben?
Ich weiß nicht.
Chigurh zog eine 25-Cent-Münze aus der Tasche und schnickte sie in das bläuliche Gleißen der Leuchtstoffröhren an der Decke. Er fing sie auf und klatschte sie sich knapp oberhalb der blutigen Bandage auf den Unterarm. Kopf oder Zahl, sagte er.
Kopf oder Zahl?
Worum geht’s denn?
Sagen Sie einfach Kopf oder Zahl.
Aber ich muss doch wissen, worum es geht.
Würde das irgendwas ändern?
Zum ersten Mal schaute der Mann in Chigurhs Augen. Blau wie Lapis. Zugleich glänzend und vollkommen undurchsichtig. Wie feuchte Steine.
Sie müssen Kopf oder Zahl sagen, sagte Chigurh. Ich kann das nicht für Sie machen. Das wär nicht fair. Es war noch nicht mal richtig. Sagen Sie einfach Kopf oder Zahl.
Ich hab gar nichts gesetzt.
Doch, haben Sie. Und zwar schon Ihr ganzes Leben lang. Sie haben’s bloß nicht gewusst. Wissen Sie, was für eine Jahreszahl auf dieser Münze steht?
Nein.
Neunzehnhundertachtundfünfzig. Sie war zweiundzwanzig Jahre unterwegs, um hierherzukommen. Und jetzt ist sie da. Und ich bin da. Und ich hab die Hand drauf. Und jetzt heißt es entweder Kopf oder Zahl. Und das bestimmen Sie. Sagen Sie schon.
Ich weiß nicht, was ich gewinnen kann.
Im blauen Licht war das Gesicht des Mannes mit feinen Schweißperlen überzogen. Er leckte sich die Oberlippe.
Sie können alles gewinnen, sagte Chigurh. Alles.
Ich weiß nicht, was das soll, Mister.
Sagen Sie schon.
Na gut, dann Kopf.
Chigurh nahm die Hand von der Münze. Er hielt dem Mann den Arm hin. Gut gemacht, sagte er.
Er pflückte sich die Münze vom Handgelenk und reichte sie über den Ladentisch.
Was soll ich damit?
Nehmen Sie sie. Das ist Ihre Glücksmünze.
Die brauch ich nicht.
O doch. Nehmen Sie sie.
Der Mann nahm die Münze. Ich muss jetzt zumachen, sagte er.
Stecken Sie sie nicht in die Tasche.
Sir?
Stecken Sie sie nicht in die Tasche.
Wo soll ich sie denn hinstecken?
Jedenfalls nicht in die Tasche. Sonst wissen

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