Kein Land für alte Männer
Geringste. Lamar hatte in über zwanzig Jahren keinen Mann verloren. Genau das würde er jetzt in Erinnerung behalten. Und dafür in Erinnerung behalten werden.
Sie kam mit seinen Eiern, und er faltete die Zeitung zusammen und legte sie neben den Teller.
Er nahm Wendell mit, und sie fuhren zum Desert Aire und standen wartend vor der Tür, während Wendell klopfte.
Sieh dir mal das Schloss an, sagte Bell.
Wendell zog seinen Revolver und öffnete die Tür. Büro des Sheriffs, rief er.
Da ist niemand.
Noch lange kein Grund, nicht vorsichtig zu sein.
Das stimmt. Überhaupt kein Grund.
Sie gingen hinein und blieben stehen. Wendell hätte seinen Revolver wieder ins Holster gesteckt, doch Bell hielt ihn davon ab. Wir wollen lieber weiter vorsichtig sein, sagte er.
Ja, Sir.
Er ging ein Stück weit ins Zimmer hinein, hob ein kleines Stück Messing vom Boden auf und hielt es hoch. Was ist das?, fragte Wendell.
Der Zylinder vom Schloss.
Bell strich mit der Hand über das Sperrholz des Raumteilers.
Da hat er getroffen, sagte er. Er wog das Stück Messing in der Hand und blickte zur Tür hin. Man könnte das Ding wiegen und aus Entfernung und Fallkurve die Geschwindigkeit berechnen.
Ja, könnte man wohl.
Ziemlich hohe Geschwindigkeit.
Ja, Sir. Ziemlich hohe Geschwindigkeit.
Sie gingen durch die Zimmer. Was meinen Sie, Sheriff?
Ich glaub, die haben sich dünn gemacht.
Glaub ich auch.
Und zwar in aller Eile.
Er ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank, schaute hinein und schloss ihn wieder. Er warf einen Blick in die Tiefkühltruhe.
Also, wann war er da, Sheriff?
Schwer zu sagen. Vielleicht haben wir ihn nur knapp verpasst.
Meinen Sie, der Junge hat eine Ahnung, was für Schweinehunde ihm da auf den Fersen sind?
Ich weiß nicht. Müsst er eigentlich. Er hat dasselbe gesehen wie ich, und mich hat’s beeindruckt.
Die stecken ganz schön in der Tinte, was?
Allerdings.
Bell ging ins Wohnzimmer zurück. Er setzte sich aufs Sofa. Wendell blieb in der Tür stehen. Er hielt noch immer den Revolver in der Hand. Was meinen Sie?, fragte er.
Bell schüttelte den Kopf. Er blickte nicht auf.
Am Mittwoch war der halbe Staat Texas unterwegs nach Sanderson. Bell saß an seinem Tisch im Café und las die Zeitung. Er senkte das Blatt und blickte auf. Vor ihm stand ein ungefähr dreißig Jahre alter Mann, den er noch nie gesehen hatte. Er stellte sich als Reporter des San Antonio Light vor. Um was geht’s hier eigentlich, Sheriff?, fragte er.
Scheint sich um einen Jagdunfall zu handeln.
Jagdunfall?
Ja, Sir.
Wie kann das denn ein Jagdunfall sein? Sie wollen mich wohl veräppeln.
Ich will Sie mal was fragen.
In Ordnung.
Letztes Jahr sind am Terrell County Court neunzehn Fälle von Kapitalverbrechen verhandelt worden. Was würden Sie sagen, wie viele davon nichts mit Drogen zu tun gehabt haben?
Ich weiß nicht.
Zwei. Außerdem hab ich ein County so groß wie Delaware und voller Menschen, die meine Hilfe brauchen. Was meinen Sie dazu?
Ich weiß nicht.
Ich auch nicht. Und jetzt muss ich erst mal frühstücken. Ich hab nämlich einen ziemlich arbeitsreichen Tag vor mir.
Er und Torbert fuhren mit Torberts allradgetriebenem Pickup hinaus. Alles war so, wie sie es zurückgelassen hatten. Sie parkten ein Stück weit von Moss’ Wagen entfernt und warteten. Es sind zehn, sagte Torbert.
Was?
Es sind zehn. Verstorbene. Wir haben den guten Wyrick vergessen. Es sind zehn.
Bell nickte. Von denen wir wissen, sagte er.
Ja, Sir. Von denen wir wissen.
Der Hubschrauber kam, flog einen Kreis und landete in einem Staubwirbel draußen auf der Bajada. Niemand stieg aus. Sie warteten darauf, dass der Staub sich setzte. Bell und Torbert sahen zu, wie der Rotor auslief.
Der Agent der DEA hieß McIntyre. Bell kannte ihn flüchtig und fand ihn immerhin so sympathisch, dass er ihm zunickte, wenn sie einander begegneten. Mit einem Klemmbrett in der Hand stieg McIntyre aus und kam auf sie zu. Er trug Stiefel, einen Hut und eine Carhartt-Leinenjacke, und er wirkte glaubhaft, bis er den Mund aufmachte.
Sheriff Bell, sagte er.
Agent McIntyre.
Was für ein Fahrzeug ist das?
Ein 72er Ford Pick-up.
McIntyre blickte in die Bajada hinab. Er klopfte sich mit dem Klemmbrett ans Bein. Er sah Bell an. Schön zu wissen, sagte er. Weiß lackiert.
Würd ich auch sagen. Ja.
Könnte einen Satz neue Reifen gebrauchen.
Er ging zu dem Pick-up hinüber und umrundete ihn. Er schrieb etwas auf sein Klemmbrett. Er warf einen Blick ins Wageninnere. Er klappte den Sitz nach vorn und schaute in den
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