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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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Patronenschachtel und schob die schweren, gewachsten Patronen eine nach der andere ins Magazin. Er zog den Verschluss zurück, sodass eine Patrone ins Patronenlager glitt, ließ den Hahn herab, führte eine weitere Patrone ins Magazin ein und legte sich die Waffe quer auf den Schoß. Sie war keine sechzig Zentimeter lang. Er rief im Trail Motel an und sagte der Frau, er werde noch einen Tag bleiben. Dann schob er die Waffe, die Patronen und die Werkzeuge unter die Matratze und verließ abermals das Hotel.
Er ging zu Wal-Mart und kaufte sich etwas Kleidung und einen kleinen Beutel mit Reißverschluss, um sie darin unterzubringen. Eine Jeans, zwei Hemden und Socken. Am Nachmittag machte er einen langen Spaziergang am See entlang und nahm dazu im Beutel den abgesägten Flintenlauf und den Schaft mit. Den Lauf schleuderte er so weit es ging in den See hinaus, den Schaft vergrub er am Fuß eines Schiefervorsprungs. Durch das Wüstengesträuch bewegte sich Wild von ihm weg. Er hörte die Tiere schnauben und sah sie hundert Meter weiter auf einen Kamm heraustreten, wo sie stehenblieben und zu ihm zurückblickten. Den leeren Beutel gefaltet im Schoß, setzte er sich auf ein Stück Kiesstrand und sah dem Sonnenuntergang zu. Sah zu, wie das Land blau und kalt wurde. Ein Fischadler stieß auf den See herab. Dann war da nur noch die Dunkelheit.
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IV
    Ich war schon mit fünfundzwanzig Sheriff dieses Countys. Schwer zu glauben. Mein Vater war kein Gesetzeshüter. Jack war mein Großvater. Er und ich waren zur gleichen Zeit Sheriff, er in Piano, ich hier. Ich glaub, darauf war er ziemlich stolz. Ich war’s jedenfalls ganz bestimmt. Ich war gerade aus dem Krieg zurückgekommen. Hatte ein paar Orden und so gekriegt, und davon hatten die Leute natürlich Wind bekommen. Ich hab einen ziemlich intensiven Wahlkampf geführt. Das muss man. Ich hab versucht, fair zu bleiben. Jack hat immer gesagt, jedes Mal, wenn man mit Dreck schmeißt, verliert man Boden, aber ich glaub, er hätte das gar nicht gekonnt. Schlecht von jemand zu reden. Und mir hat es nie was ausgemacht, so zu sein wie er.
Meine Frau und ich sind seit einunddreißig Jahren verheiratet. Keine Kinder. Wir haben ein Mädchen verloren, aber darüber möcht ich nicht reden. Ich hab zwei Amtszeiten abgeleistet, dann sind wir nach Denton in Texas gezogen. Jack hat immer gesagt, Sheriff zu sein war einer der besten Jobs, die man haben kann, und Ex-Sheriff zu sein einer der schlechtesten. Das ist vielleicht mit vielem so. Wir waren jedenfalls erst mal weg und sind auch weggeblieben. Ich hab andere Sachen gemacht. War eine Zeitlang Detective bei der Eisenbahn. Zu der Zeit war meine Frau gar nicht so sicher, dass wir wieder hierher zurückkommen. Von wegen meiner Kandidatur. Aber dann hat sie gesehen, dass ich will, also haben wir ‘s gemacht. Sie ist ein besserer Mensch als ich, das geb ich jederzeit zu, und zwar gegenüber jedem, der mir zuhören mag. Nicht, dass das so viel sagt. Sie ist ein besserer Mensch als jeder, den ich kenne. Punkt.
Die Leute denken, sie wissen, was sie wollen, aber im Allgemeinen stimmt das nicht. Wenn sie Glück haben, kriegen sie’s manchmal auch so. Ich, ich hab immer Glück gehabt. Mein Leben lang. Sonst wär ich nicht hier. Bei den Schwulitäten, in die ich schon geraten bin. Aber der Tag, an dem ich sie aus Kerr’s Mercantile hab kommen und über die Straße gehen sehen und sie an mir vorbeigekommen ist und ich an meinen Hut getippt und dafür fast so was wie ein Lächeln gekriegt hab, der Tag war der glücklichste.
Die Leute beklagen sich darüber, wie viel Schlechtes ihnen passiert, ohne dass sie’s verdient hätten, aber von dem Guten reden sie selten. Darüber, womit sie das verdient haben. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dem Herrgott jemals besonders viel Grund geliefert hab, mir gut zu sein. Aber er war’s.

Als Bell am Dienstagmorgen ins Café kam, war es gerade Tag geworden. Er holte sich seine Zeitung und ging zu seinem Tisch in der Ecke. Die Männer am großen Tisch, an denen er vorbeikam, nickten ihm zu und sagten Sheriff. Die Kellnerin brachte ihm seinen Kaffee, ging nach hinten zur Küche und bestellte seine Eier. Mit dem Löffel rührte er seinen Kaffee um, obwohl es, da er ihn schwarz trank, nichts umzurühren gab. Das Bild des jungen Haskins war auf der Titelseite der in Austin erscheinenden Zeitung. Bell las kopfschüttelnd.
Die Frau des Jungen war zwanzig Jahre alt. Und was konnte man für sie tun? Nicht das

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