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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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lauschend in der Tür stehen. Er ging hinaus und den Flur entlang, hob den Druckluftbehälter und das Bolzenschussgerät auf, holte seine Stiefel und zog sie an. Dann ging er den Korridor entlang, zur Metalltür hinaus und die Betontreppe hinunter in die Garage, wo sein Auto stand.

Als sie am Busbahnhof ankamen, brach gerade grau und kalt der Tag an, und es fiel leichter Regen. Sie beugte sich nach vorn über den Sitz, bezahlte den Fahrer und gab ihm zwei Dollar Trinkgeld. Er stieg aus, ging zum Kofferraum, öffnete ihn, nahm ihr Gepäck heraus, stellte es unter das Vordach, ging mit dem Gehgestell auf die Seite, auf der ihre Mutter saß, und öffnete die Tür. Ihre Mutter drehte sich zur Seite und begann sich mühsam in den Regen hinauszuhieven.
Mama, wartest du bitte? Ich muss erst zu dir herumkommen.
Ich hab es kommen sehen, sagte die Mutter. Ich hab’s schon vor drei Jahren gesagt.
Das ist noch keine drei Jahre her.
Wortwörtlich hab ich das gesagt.
Warte doch mal, bis ich zu dir rumgekommen bin.
Im Regen, sagte die Mutter. Sie blickte zu dem Taxifahrer auf. Ich hab Krebs, sagte sie. Nun sehen Sie sich das an. Nicht mal ein Zuhause, wo man hingehen kann.
Ja, Ma’am.
Wir fahren nach El Paso, Texas. Wissen Sie, wie viele Leute ich in El Paso, Texas, kenne?
Nein, Ma’am.
Den Arm an der Tür, hielt sie inne, hob die Hand und bildete mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. So viele, sagte sie.
Ja, Ma’am.
Von ihren Taschen und Päckchen umgeben, saßen sie in der Cafeteria und starrten hinaus in den Regen und auf die Busse, die mit laufendem Motor dort standen. Auf den grau anbrechenden Tag. Sie sah ihre Mutter an. Willst du noch Kaffee?, fragte sie.
Die alte Frau gab keine Antwort.
Du redest wohl nicht mehr.
Ich wüsst nicht, was es zu reden gibt.
Na ja, ich eigentlich auch nicht.
Was ihr gemacht habt, habt ihr gemacht. Ich weiß nicht, warum ich eigentlich vor der Polizei davonlaufen muss.
Wir laufen nicht vor der Polizei davon, Mama.
Aber um Hilfe habt ihr sie auch nicht bitten können, oder?
Wen?
Die Polizei.
Nein.
Das hab ich mir gedacht.
Mit dem Daumen schob sich die alte Frau das Gebiss zurecht und starrte zum Fenster hinaus. Nach einer Weile kam der Bus. Der Fahrer verstaute das Gehgestell im Gepäckraum, dann halfen sie ihr die Stufen hinauf und bugsierten sie auf den vordersten Sitz. Ich hab Krebs, sagte sie dem Fahrer.
Carla Jean verstaute ihre Taschen in dem Gepäckfach über dem Sitz und setzte sich. Die alte Frau sah sie nicht an. Vor drei Jahren, sagte sie. Dazu hat’s gar keinen Traum gebraucht. Keine Offenbarung oder so was. Ich bild mir da gar nichts drauf ein. Jeder hätt dir das sagen können.
Ich hab aber nicht gefragt.
Die alte Frau schüttelte den Kopf. Blickte zum Fenster hinaus auf den Tisch, den sie gerade geräumt hatten. Ich bild mir da gar nichts drauf ein, sagte sie. Ich wär die Letzte auf der Welt, die das tut.

Chigurh hielt auf der anderen Straßenseite an und stellte den Motor ab. Er schaltete die Scheinwerfer aus, saß da und beobachtete das dunkle Haus. Laut den grünen Diodenziffern des Radios war es 1 Uhr 17. Er blieb bis 1 Uhr 22 sitzen, dann nahm er die Taschenlampe aus dem Handschuhfach, stieg aus, schloss die Wagentür und ging über die Straße zu dem Haus.
Er öffnete das Fliegengitter, schoss den Schlosszylinder heraus, ging hinein, machte die Tür hinter sich zu und blieb lauschend stehen. Von der Küche her war Licht zu sehen, und er ging, die Taschenlampe in der einen und die Schrotflinte in der anderen Hand, den Flur entlang. An der Küchentür angelangt, blieb er abermals stehen und lauschte. Das Licht kam von einer nackten Glühbirne auf der hinteren Veranda. Er ging in die Küche.
Mitten im Raum ein Tisch mit Chromgestell und blanker Resopalplatte, auf der eine Schachtel Frühstücksflocken stand. Auf dem Linoleumboden der Schatten des Küchenfensters. Er durchquerte den Raum, öffnete den Kühlschrank und schaute hinein. Er schob sich die Schrotflinte in die Armbeuge, nahm eine Dose Orangenlimonade aus dem Kühlschrank, riss mit dem Zeigefinger den Verschluss auf, trank daraus und lauschte dabei auf etwaige, auf das metallische Klicken der Dose folgende Geräusche. Er trank, stellte die halbleere Dose auf die Arbeitsplatte, machte den Kühlschrank zu, ging durch das Esszimmer ins Wohnzimmer, setzte sich in einen Sessel in der Ecke und schaute hinaus auf die Straße.
Nach einer Weile stand er auf, durchquerte das Zimmer und ging die Treppe hinauf. Am oberen

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