Kein Land für alte Männer
Sir.
Na dann. Machen Sie, dass Sie hier wegkommen.
Ja, Sir.
Manchmal hat man ein kleines Problem und bringt es nicht in Ordnung, und dann ist es auf einmal kein kleines Problem mehr. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?
Ja, Sir.
Ab mit Ihnen.
Ja, Sir.
Es war schon fast Tag, und das Taxi war längst weg. Er marschierte los, die Straße entlang. Aus seiner Wunde sickerte ein blutiges Serum, das an der Innenseite seines Beins hinabrann. Die Leute beachteten ihn kaum. Er bog in die Adams Street ein, blieb vor einem Kleidergeschäft stehen und spähte hinein. Hinten brannte Licht. Er klopfte an die Tür, wartete und klopfte erneut. Schließlich öffnete ein kleiner Mann in weißem Hemd und schwarzer Krawatte und lugte zu ihm heraus. Ich weiß, Sie haben nicht geöffnet, sagte Moss, aber ich brauche ganz dringend ein paar Kleider. Der Mann nickte und riss die Tür weit auf. Kommen Sie rein, sagte er.
Nebeneinander gingen sie den Gang entlang zur Stiefelabteilung. Tony Lama, Justin, Nocona. Dort standen auch ein paar Sessel, und Moss ließ sich vorsichtig auf einem nieder, die Hände an den Armlehnen festgeklammert. Ich brauch Stiefel und ein paar Kleider, sagte er. Ich hab gesundheitliche Probleme und will nur so viel rumlaufen, wie ich unbedingt muss.
Der Mann nickte. Ja, Sir, sagte er. Natürlich.
Führen Sie Larry Mahans?
Nein. Sir. Leider nicht.
Macht nichts. Ich brauche Wrangler-Jeans, Bundweite zweiunddreißig, Schrittlänge vierunddreißig Inch. Ein Hemd Größe L. Socken. Und zeigen Sie mir ein paar Nocona-Stiefel Größe zehneinhalb. Und ich brauch einen Gürtel.
Ja, Sir. Wollen Sie sich auch Hüte ansehen?
Moss blickte quer durch den Laden. Ja, ein Hut wär nicht schlecht. Haben Sie welche von diesen Viehzüchterhüten mit schmaler Krempe? Sieben drei Achtel?
Ja, haben wir. Wir haben einen Drei-X-Beaver von Resistol und eine etwas bessere Qualität von Stetson. Einen Fünf-X, glaub ich.
Zeigen Sie mir den Stetson. Den silbergrauen.
Wird gemacht, Sir. Sind weiße Socken in Ordnung?
Ich trag gar keine anderen.
Wie steht’s mit Unterwäsche?
Vielleicht eine Boxershorts. Zweiunddreißig. Oder M.
Ja, Sir. Machen Sie sich’s einfach bequem. Geht’s Ihnen gut?
Mir geht’s gut.
Der Mann nickte und wandte sich zum Gehen.
Kann ich Sie mal was fragen?, sagte Moss.
Ja, Sir.
Erleben Sie das oft, dass Leute hier reinkommen, die nichts anhaben?
Nein, Sir. Oft würd ich nicht sagen.
Er nahm den Stapel neuer Kleider mit in die Kabine, schälte sich aus dem Mantel und hängte ihn an den Haken auf der Rückseite der Tür. Über seinen teigigen, eingefallenen Bauch zog sich eine fahle Kruste von geronnenem Blut. Er drückte die Ränder des Verbands an, aber sie klebten nicht richtig. Er ließ sich auf der Holzbank nieder, zog die Socken an, riss die Verpackung der Boxershorts auf, nahm sie heraus, zog sie sich über die Füße bis hoch zu den Knien, stand dann auf und zog sie behutsam über den Verband. Er setzte sich wieder und löste das Hemd von der Pappeinlage, an der es mit unzähligen Nadeln festgesteckt war.
Als er aus der Kabine kam, trug er den Mantel über dem Arm. Auf den knarrenden Holzbohlen des Mittelgangs ging er ein paarmal auf und ab. Der Verkäufer hielt den Blick auf die Stiefel gerichtet. Bei Eidechsenleder dauert das Einlaufen länger, sagte er.
Ja. Und im Sommer ist es heiß. Die hier sind in Ordnung. Probieren wir mal den Hut auf. So aufgetakelt war ich seit meiner Entlassung aus der Army nicht mehr.
Der Sheriff trank einen Schluck von seinem Kaffee und stellte den Becher exakt wieder in den Ring auf der Glasplatte des Schreibtisches, in dem er vorher gestanden hatte. Die wollen das Hotel dichtmachen, sagte er.
Bell nickte. Das wundert mich nicht.
Sie haben alle gekündigt. Der Bursche hatte gerade mal zwei Schichten hinter sich. Ich mach mir selber Vorwürfe. Wär nie drauf gekommen, dass der Schweinehund wiederkommt. So was könnt ich mir einfach nicht vorstellen.
Vielleicht war er ja die ganze Zeit da.
Daran hab ich auch schon gedacht.
Dass niemand weiß, wie er aussieht, liegt daran, dass keiner von denen lange genug lebt, um ihn zu beschreiben.
Das ist ein gemeingefährlicher Verrückter, Ed Tom.
Ja. Ich glaub allerdings nicht, dass er verrückt ist.
Wie würdest du ihn denn nennen?
Ich weiß nicht. Wann wollen die es denn dichtmachen?
Es ist praktisch schon dicht.
Hast du einen Schlüssel?
Ja. Ich hab einen Schlüssel. Es ist ein Tatort.
Warum gehen wir nicht rüber und schauen uns nochmal
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