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Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Titel: Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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deinen Gesichtsausdruck sehen, und einen winzigen Moment lang war der alte Ira wieder da. Von dem Augenblick an hatte ich keine Angst mehr, dass du für immer verloren wärst.«
    »Aber du hast mich nicht gebeten, dich nach Hause zu begleiten.«
    »Du warst noch nicht bereit. Du hattest immer noch so viel Wut in dir. Darum schlug ich vor, dass wir uns einmal die Woche auf einen Eisbecher dort trafen, wie früher. Du brauchtest Zeit, und ich war bereit, zu warten.«
    »Eine Zeit lang. Nicht ewig.«
    »Nein, nicht ewig. Ende Februar fragte ich mich allmählich, ob du mich jemals wieder küssen würdest.«
    »Ich wollte ja«, sage ich. »Jedes Mal, wenn ich bei dir war, wollte ich dich küssen.«
    »Auch das wusste ich, und deshalb hat es mich so verwirrt. Ich verstand nicht, was los war. Ich verstand nicht, was dich abhielt, warum du mir nicht vertrautest. Du hättest wissen müssen, dass ich dich lieben würde, egal was geschehen war.«
    »Das wusste ich doch. Und genau deshalb konnte ich es dir nicht sagen.«
    N atürlich habe ich es ihr letztendlich erzählt, an einem kalten Abend Anfang März. Ich hatte sie angerufen und gefragt, ob sie sich mit mir im Park treffen wollte, wo wir schon hundertmal zusammen spazieren gegangen waren. Ich hatte damals nicht vor, es ihr zu sagen. Vielmehr redete ich mir ein, eine Freundin zu brauchen, mit der ich reden konnte, da die Stimmung zu Hause bedrückend geworden war.
    Mein Vater hatte im Krieg gut verdient, und nach Kriegsende arbeitete er wieder als Herrenausstatter. Anstelle der Nähmaschinen gab es wieder Kleiderstangen voller Anzüge, und für jemanden, der am Schaufenster vorbeilief, sah es wahrscheinlich aus wie vor dem Krieg. Doch im Inneren war es anders. Mein Vater war anders. Statt die Kunden an der Tür zu begrüßen wie früher, verbrachte er die Nachmittage im Hinterzimmer, hörte die Nachrichten im Radio, versuchte den Wahnsinn zu begrei fen, der den Tod so vieler unschuldiger Menschen verur sacht hatte. Er wollte über nichts anderes reden, der Holo caust wurde zum Thema jeder Unterhaltung. Im Gegensatz dazu konzentrierte sich meine Mutter umso stärker aufs Nähen, weil sie nicht ertragen konnte, an das Grauen zu denken. Für meinen Vater war es ja trotz allem ein abs traktes Entsetzen, für meine Mutter hingegen, die wie Ruth Freunde und Verwandte verloren hatte, zutiefst persönlich. Und aufgrund ihrer unterschiedlichen Reaktionen auf diese erschütternden Ereignisse lebten sich meine Eltern immer mehr auseinander.
    Als Sohn versuchte ich, nicht Partei zu ergreifen, aber wenn wir zu dritt zusammen waren, kam es mir manchmal vor, als hätten wir vergessen, was es hieß, eine Familie zu sein. Darüber hinaus begleitete mein Vater meine Mutter und mich jetzt zur Synagoge, wodurch die Vieraugengespräche mit meiner Mutter der Vergangenheit angehörten. Als mein Vater mir mitteilte, mich als Teilhaber im Geschäft aufnehmen zu wollen – was bedeutete, dass wir drei nun ständig zusammen waren –, war ich verzweifelt, weil ich nun der düsteren Atmosphäre, die unser Leben durchdrungen hatte, gar nicht mehr entfliehen konnte.
    »Du denkst an deine Eltern«, sagt Ruth.
    »Du warst immer nett zu ihnen.«
    »Ich habe deine Mutter sehr geliebt. Trotz des Altersunterschieds war sie die erste echte Freundin, die ich in diesem Land fand.«
    »Und meinen Vater?«
    »Ihn habe ich auch geliebt. Wie denn auch nicht? Er gehörte zur Familie.«
    Ich lächle, weil ich mich erinnere, dass sie immer mehr Geduld mit ihm hatte als ich.
    »Darf ich dich etwas fragen?«
    »Du darfst mich alles fragen.«
    »Warum hast du auf mich gewartet? Selbst als ich dir keine Briefe mehr schrieb? Ich weiß, du sagst immer, du hast mich geliebt, aber ...«
    »Sind wir jetzt wieder dabei gelandet? Du verstehst nicht, warum ich dich geliebt habe?«
    »Du hättest jeden haben können.«
    Sie beugt sich näher zu mir, ihre Stimme ist sanft. »Das war schon immer dein Problem, Ira. Du siehst in dir selbst nicht, was andere in dir sehen. Du glaubtest, du sähst nicht gut aus, aber du sahst sehr gut aus, als du jung warst. Du glaubst, du bist nicht interessant oder klug genug, aber das Gegenteil ist der Fall, und dass du dir deiner besten Eigen schaften nicht bewusst bist, macht mit deinen Charme aus. Und du siehst immer so viel in anderen – so wie in mir. Du hast mir das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein.«
    »Aber du bist ja auch etwas Besonderes«, sage ich störrisch.
    Sie hebt lachend

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