Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
beide, gab eine Sophia und sah zu, wie sie einen Schluck nahm.
Der See vor ihnen warf das Licht der Mondsichel und der Sterne zurück wie ein Spiegel. Auf der anderen See seite drängten sich die am Ufer versammelten Rinder dicht zusammen, ihre weißen Brustkörbe leuchteten in der Dunkelheit. Hin und wieder muhte eines, und das Geräusch schwebte übers Wasser und mischte sich mit dem Quaken der Frösche und dem Zirpen der Grillen. Es roch nach Gras und Erde.
»Es ist wunderschön hier«, flüsterte Sophia.
Seiner Meinung nach hätte man sie mit demselben Wort beschreiben können, aber das behielt er für sich.
»Es ist wie auf der Lichtung am Fluss«, fügte sie hinzu. »Nur offener.«
»Könnte man sagen. Aber ich hatte dir ja erzählt, dass ich zum Fluss gehe, wenn ich an meinen Vater denken will. Hierher komme ich, um über andere Dinge nachzudenken.«
»Zum Beispiel?«
»Vieles«, sagte er. »Das Leben. Die Arbeit. Beziehungen.«
Sie warf ihm einen Seitenblick zu. »Ich dachte, du hattest noch nicht viele Beziehungen.«
»Deshalb muss ich ja darüber nachdenken.«
Sie kicherte. »Beziehungen sind schwierig. Wobei – ich bin jung und naiv, was weiß ich schon?«
»Wenn ich dich also um Rat fragen wollte ...«
»Würde ich sagen, es gibt bessere Anlaufstellen. Deine Mutter vielleicht.«
»Ja, vielleicht. Sie hat sich mit meinem Vater ziemlich gut verstanden. Besonders, nachdem er das Rodeo aufgegeben hatte und für die Arbeit auf der Ranch zur Verfügung stand. Wenn er mit dem Reiten weitergemacht hätte – ich weiß nicht, ob sie es geschafft hätten. Für sie allein war es zu viel, vor allem, als sie sich auch noch um mich kümmern musste. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ihm genau das gesagt hat. Also hat er aufgehört. Und wenn ich ihn als Kind danach fragte, hat er immer gesagt, mit meiner Mutter verheiratet zu sein sei wichtiger, als Pferde zu reiten.«
»Du scheinst stolz auf sie zu sein.«
»Bin ich auch«, sagte er. »Meine Eltern waren beide Arbeitsmenschen, aber meine Mutter ist diejenige, die wirklich das Geschäft aufgebaut hat. Als sie die Ranch von meinem Groß vater erbte, sah es nicht gut aus. Der Viehmarkt neigt allgemein zu starken Schwankungen, und in manchen Jahren verdient man nicht besonders viel. Es war ihre Idee, das wachsende Interesse an Biorindfleisch zu bedienen. Sie war es, die ins Auto gestiegen und durch den ganzen Staat gefahren ist, Prospekte ausgelegt und mit Restaurantbesitzern gesprochen hat. Ohne sie gäbe es kein Collins Beef. Dir sagt das möglicherweise nicht viel, aber Verbrauchern von hochwertigem Rindfleisch in North Carolina sagt das etwas.«
Sophia antwortete nicht darauf, sondern betrachtete das Bauernhaus in der Ferne. »Ich würde sie gern kennenlernen.«
»Ich würde dich ihr ja jetzt vorstellen, aber wahrscheinlich schläft sie schon. Sie geht ziemlich früh ins Bett. Aber am Sonntag bin ich hier, falls du vorbeikommen möchtest.«
»Du willst doch nur, dass ich beim Kürbisseschleppen helfe.«
»Eigentlich hatte ich gedacht, du kommst zum Abendessen. Wie gesagt, tagsüber dürfte ziemlich viel los sein.«
»Ich komme gern, wenn du glaubst, dass deine Mutter nichts dagegen hat.«
»Bestimmt nicht.«
»Um wie viel Uhr?«
»Gegen sechs?«
»Klingt wunderbar«, sagte Sophia. »Übrigens, wo ist das Labyrinth, von dem du erzählt hast?«
»Nicht weit vom Kürbisfeld entfernt.«
Sie runzelte die Stirn. »Waren wir dort letzten Sonntag?«
»Nein. Es liegt näher am Hauptweg, bei den Tannenbäumen.«
»Warum ist mir das nicht aufgefallen, als wir vorhin gekommen sind?«
»Weiß ich nicht. Vielleicht, weil es schon dunkel war?«
»Ist es ein gruseliges Labyrinth? Mit Vogelscheuchen und Spinnen und allem?«
»Natürlich, aber es ist nicht echt gruselig. Es ist hauptsächlich für kleine Kinder gedacht. In einem Jahr hat mein Vater es mal ein bisschen übertrieben, und ein paar Kin der haben geweint. Seitdem versuchen wir, den Ball flach zu halten. Aber es gibt tonnenweise Dekoration. Spinnen, Ge spenster, Vogelscheuchen. Freundlich aussehende.«
»Können wir mal reingehen?«
»Klar. Ich zeig es dir gern. Aber für große Leute ist es nicht das Gleiche, weil du über die Ballen hinwegsehen kannst.« Er verscheuchte ein paar Mücken. »Übrigens hast du meine Frage vorhin nicht richtig beantwortet.«
»Welche?«
»Über Beziehungen«, sagte er.
Sie zog die Decke zurecht. »Früher habe ich geglaubt, dass ich die Grundlagen
Weitere Kostenlose Bücher