Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
schon kannte. Meine Eltern sind immerhin seit langer Zeit verheiratet, und ich dachte, ich weiß, wie es geht. Aber ich hatte wohl das Wichtigste noch nicht gelernt.«
»Nämlich?«
»Sich den Richtigen auszusuchen.«
»Woher weiß man, ob jemand der Richtige ist?«
»Na ja ...«, sagte sie. »Genau da wird es knifflig. Aber wenn ich raten müsste, würde ich sagen, ein erster Punkt wäre, dass man Gemeinsamkeiten hat. Wie etwa Wert vorstellungen. Zum Beispiel fand ich es wichtig, dass Brian mir treu war. Er hingegen orientiert sich offensichtlich an einem anderen Wertesystem.«
»Wenigstens kannst du schon Witze darüber machen.«
»Wenn es nicht mehr wehtut, kann man leicht Witze machen. Aber es war schlimm. Im letzten Frühjahr, als ich herausgefunden hatte, dass er mich betrog, konnte ich wochenlang nichts essen. Ich habe sieben Kilo abgenommen.«
»Dann warst du ja spindeldürr.«
»Ich weiß, aber was sollte ich machen? Manche Menschen essen, wenn sie unglücklich oder im Stress sind. Ich bekomme nichts herunter. Und als ich letzten Sommer nach Hause kam, reagierten meine Eltern völlig panisch. Ständig sollte ich etwas essen. Trotzdem habe ich immer noch nicht wieder mein normales Gewicht erreicht. Und seit das Semester wieder angefangen hat, ist es natürlich auch nicht so einfach, zuzunehmen.«
»Da bin ich ja froh, dass du mit mir essen gegangen bist.«
»Bei dir fühle ich mich nicht gestresst.«
»Obwohl wir nicht viel gemeinsam haben?«
Sobald er es ausgesprochen hatte, bekam er Angst, sie würde den besorgten Unterton heraushören, aber sie schien ihn nicht wahrzunehmen.
»Wir haben mehr gemeinsam, als du vielleicht glaubst. In gewisser Weise sind unsere Eltern sich ziemlich ähnlich. Sie sind lange verheiratet, führen einen kleinen Familienbetrieb, der nicht allzu viel abwirft, und erwarten von den Kindern, dass sie mit anpacken. Meine Eltern wollten, dass ich gut in der Schule bin, dein Vater wollte, dass du ein erfolgreicher Bullenreiter wirst, und wir haben beide ihre Erwartungen erfüllt. Wir sind beide Produkte unserer Erziehung, und ich glaube nicht, dass sich das jemals ändern wird.«
Zu seiner eigenen Überraschung war er erleichtert über ihre Antwort. »Bist du schon bereit fürs Labyrinth?«
»Ich würde gern erst mein Bier austrinken. Es ist zu schön hier draußen, um schon zu fahren.«
Während sie langsam ihre Flaschen leerten, unterhielten sie sich entspannt und beobachteten den Weg des Mond lichts über das Wasser. Obwohl Luke Sophia gern wieder geküsst hätte, widerstand er dem Drang. Lieber dachte er über das nach, was sie zuvor gesagt hatte, über ihre Ähn lichkeiten. Sie hatte recht, fand er und hoffte, es würde in ihren Augen ausreichen, um sich weiter mit ihm zu treffen.
Nach einer Weile verstummte ihr Gespräch, und in der friedlichen Stille bedauerte er, dass er keine Ahnung hatte, woran sie dachte. Instinktiv streckte er die Hand nach ihr aus. Sophia verstand offenbar und ergriff sie.
Die Nachtluft wurde frischer und klarer und verlieh den Sternen einen kristallenen Schimmer. Luke blickte nach oben, dann zu Sophia, und als sie mit dem Daumen sanft über seine Hand strich, erwiderte er die Geste. In diesem Moment wusste er, dass er dabei war, sich in sie zu verlieben, und dass er nicht das Geringste dagegen unternehmen konnte.
A ls sie durch das Kürbisfeld zum Labyrinth schlenderten, hielt Luke weiterhin Sophias Hand. Aus irgendeinem Grund war ihm diese einfache Berührung bedeutsamer als ihre Küsse beim letzten Mal. Er konnte sich vorstellen, ihre Hand noch in vielen Jahren zu halten, wenn sie zusammen spazieren gingen, und der Gedanke erschreckte ihn.
»Woran denkst du?«
Er lief noch ein paar Schritte, bevor er antwortete. »An alles Mögliche.«
»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du dazu neigst, ziemlich unbestimmt zu antworten?«
»Stört dich das?«, entgegnete er.
»Weiß ich noch nicht.« Sie drückte seine Hand. »Ich geb dir dann Bescheid.«
»Das Labyrinth ist da drüben.« Er zeigte in die Richtung. »Aber zuerst wollte ich dir das Kürbisfeld zeigen.«
»Darf ich mir einen aussuchen?«
»Sicher.«
»Hilfst du mir, ihn für Halloween zu schnitzen?«
»Das könnten wir am Sonntag nach dem Essen machen. Und nur dass du es weißt, ich bin sozusagen Experte.«
»Ach ja?«
»Allein diese Woche habe ich schon fünfzehn oder zwan zig geschnitzt. Gruselige Fratzen, fröhliche Gesichter, alles.«
Sie sah ihn prüfend an. »Du
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