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Kein Paar wie wir

Titel: Kein Paar wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Rathgeb
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um Hilfe schreien würde, wenn sie mich nicht in Ruhe ließen. Da gaben sie auf und gingen weg.«
    »Du warst jung«, sagte Vika.
    Und unerfahren, dachte sie. Leichtsinnig. Was hätte ihr nicht alles gerade in Rom zustoßen können.
    »Jung und unerfahren«, sagte Ruth.
    Was habe ich in Rom gesucht?, dachte sie. Warum bin ich alleine nach Rom geflogen?
    »Und attraktiv.«
    »Ja, damals war ich attraktiv.«
    Wie lang ist das her, dachte sie. Die Schönheit hielt sich nicht. Die schöne Frau, die ich war, hat sich in Luft aufgelöst. Ich habe mit ihr nichts zu tun. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich damals aussah, nur an die Reaktionen der Männer, an ihre Komplimente. Im Spiegel sehe ich eine alte Frau. Sie ist jeden Morgen da und schaut mich an und sagt mir, dass sie ich sei, und ich beginne mich darüber zu wundern. Sie sagt auch, dass sie bald gehen werde. Und ich denke, gut, du wirst gehen, aber ich werde bleiben. Die Frau schaut mich ganz ernst an, schüttelt den Kopf und sagt, du kommst mit.
    Sie fiel auf, und sie mochte es, wenn man auf sie aufmerksam wurde. Sie genoss New York in vollen Zügen, sie hatte eine Arbeit und eine eigene Wohnung, sie spürte nicht mehr den vorwurfsvollen Blick der Eltern auf sich ruhen. Die Männer schauten und pfiffen ihr nach und bemühten sich um sie. Aber kaum kamen sie mit ihr in ein Gespräch, wurden sie unsicher und zurückhaltend. Sie merkten schnell, dass es bei ihr nicht so einfach ging wie bei anderen Frauen, sie war klug und nicht die Art Frau, die einen Mann an ihrer Seite brauchte, sie kam alleine zurecht, und das zeigte sie den Männern auch, damit sie sich keine falschen Hoffnungen machten.
    »Weißt du noch?«, fragte Ruth.
    »Was?«
    »Wie die Jackie mich auf der Fifth Avenue ansprach?«
    »Du hast es mir erzählt. Du warst aufgeregt.«
    »Wie sollte ich nicht aufgeregt gewesen sein«, sagte Ruth, »es war die Jackie, die Jackie Kennedy.«
    Sie zog den Namen in die Länge, hing ihn in die Luft wie ein schillerndes Band.
    »Sie war eine bildschöne Frau«, sagte Vika.
    Der Traum aller amerikanischen Männer, dachte sie. Das Idol aller amerikanischen Frauen. Auf jeder Titelseite war ihr Bild zu sehen.
    »Ich lief die Fifth Avenue hinunter, und sie kam mir entgegen. Ich hatte sie schon mehrmals auf der Fifth Avenue gesehen. Aber dieses Mal …«
    »In die Arme seid ihr euch gelaufen.«
    »Sie ging direkt auf mich zu. Ich erkannte sie von weitem. Sie war eine Erscheinung.«
    Sie war unvergleichlich, dachte sie. Um sie herum war eine Aura.
    »Das wusste sie«, sagte Vika.
    Sie war die perfekte Amerikanerin, dachte sie. Alles an ihr war perfekt, die Kleider, die Frisur, das Lächeln, der Blick.
    »Sie blieb vor mir stehen und sprach mich an.«
    Sie war die Queen, dachte sie. Ich stand vor der Queen.
    »Mitten auf der Fifth Avenue blieb sie vor dir stehen und sprach dich an.«
    »Ja. So war es.«
    Ruth lächelte. Sie liebte die Geschichte mit der Jackie.
    »Und was sagte sie?«, fragte Vika.
    Natürlich wusste sie, was Jackie Kennedy zu ihrer Schwester gesagt hatte, sie kannte jedes Wort, jedes Detail, aber Ruth sollte es ihr noch einmal erzählen. Sie wusste, dass Ruth diese Geschichte liebte, dass sie die Geschichte mit der Jackie für ihr Leben gerne erzählte. Ruth blühte beim Erzählen auf, sie wurde, während sie sprach, jung und schön, die Wangen färbten sich rot. Ein mädchenhafter Glanz legte sich über ihr Gesicht, und in ihrem Blick schwamm ein fernes Glück.
    »Jackie sagte, sie habe mich schon öfter auf der Fifth Avenue gesehen.«
    Ich brachte keinen Ton heraus, als sie vor mir stand, dachte Ruth. Ich war viel zu aufgeregt.
    »Und was sagte sie noch?«, fragte Vika.
    »Ich sei ihr aufgefallen, ich sei, sagte sie, eine schöne Frau.«
    Unter all den Menschen auf der Fifth Avenue fiel ich ihr auf, dachte sie. Ich sei eine schöne Frau, das sagte sie wörtlich. Während sie vor mir stand, bewegte sich um mich nichts mehr. Wir waren allein auf der Welt, nur sie und ich, mitten in New York, zwischen all den Leuten und Hochhäusern.
    »Du bist sehr attraktiv gewesen«, sagte Vika.
    »Ich war völlig verwirrt und wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Das kannst du dir doch vorstellen. Ich meine, es war die Jackie …«
    »Und ob.«
    »Da stand die Jackie …«
    »Vor dir«, fiel ihr Vika ins Wort.
    »Sie stand vor mir und sagte, ich sei eine schöne Frau, und dann fragte sie mich, wohin ich ginge, und ich sagte ihr, dass ich auf dem Weg nach Hause

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